Juliregen
sie nun doch über die Vehemenz. »Wenn du so über die Ehe denkst, solltest du besser nicht heiraten.«
»Ich muss, denn ich bin die letzte Retzmann auf Steenbrook. Es ist meine Pflicht, Kinder in die Welt zu setzen, und du willst doch nicht, dass ich das tue, ohne verheiratet zu sein. Das wäre wirklich ungehörig!« Es gelang Nathalia ausgezeichnet, den Tonfall ihrer Freundin zu kopieren.
Lore musste kichern. »Du bist einfach unmöglich! Ich weiß nicht, was Dorothea und ich bei deiner Erziehung falsch gemacht haben. Jedenfalls haben wir auf ganzer Linie versagt.«
»Selbsterkenntnis ist der halbe Weg zu Besserung«, sagte Nathalia lachend.
»Bei dir nicht! Fast möchte ich dir wünschen, dass du dich in einen absolut unmöglichen Mann verliebst.«
»Wenn es dein Herzenswunsch ist, verspreche ich dir, es zu tun«, antwortete Nathalia lächelnd.
Lore gab auf. Diesem kleinen Frechdachs war sie einfach nicht gewachsen. Sie widmete sich ihrer Suppe, die bereits kalt zu werden begann, während Nathalia munter und fröhlich wie ein Vögelchen berichtete, welche Anforderungen sie an jenen Mann zu stellen gedachte, dem sie vielleicht nicht ihr Herz, aber doch ihre Hand schenken wollte.
IV.
I n einem gelang es Lore dann doch, sich durchzusetzen. Zwar hatte Volkmar Zeeb nichts dagegen, dass seine Herrin die Zügel übernahm, schlug aber vor, dass der Kutscher Drewes sich hinten auf den Platz des Grooms stellte, um jederzeit eingreifen zu können. Nathalia blies zwar die Backen auf, akzeptierte diese Lösung jedoch um des lieben Friedens willen, wie sie sagte.
Sie und Lore gaben ein hübsches Bild ab. Nathalia hatte ein eisblaues Kleid gewählt, das ihr einen kühlen Anstrich verlieh, und im Gegensatz dazu hatte Lore sich für einen warmen Gelbton entschieden, der ihr ausgezeichnet stand und von dem sie behauptete, er ließe sie jünger erscheinen.
Nathalia tippte sich an die Stirn. »Jünger? Jetzt tu nicht so, als wärst du schon Großmutter! Bis Wolfi und Doro einmal so weit sind, dich dazu zu machen, wird noch einiges Wasser die Weser hinab in die Nordsee fließen.«
»Immerhin werde ich nächstes Jahr achtundzwanzig«, wandte Lore ein. »Wilhelmine ist ein Jahr jünger als ich und wirkt bereits wie eine Matrone.«
»Die Frau futtert einfach zu viele Süßigkeiten und bewegt sich so gut wie gar nicht. Würden wir genauso viel naschen wie Grünfelders Tochter, gingen wir auch aus dem Leim!« Nathalia war stolz auf ihre schlanke Figur und fand, dass auch Lore ausgezeichnet aussah. Was Wilhelmine von Dohnke betraf, würde diese bereits in wenigen Jahren wie eine jüngere Ausgabe ihrer breit gebauten Mutter wirken.
»Wir sollten aufbrechen!« Nathalia stieg auf den Wagen und nahm von Drewes die Zügel entgegen. »Setz dich doch«, sagte sie zu Lore. Während diese der Aufforderung folgte, nahm auch Drewes seinen Platz ein und zwinkerte Nathalia zu.
»Na, Komtess, dann zeigen Sie mal, wie gut ich Ihnen das Kutschieren beigebracht habe. Aber werfen Sie mich nicht wieder in den Graben wie beim letzten Mal!«
»Daran war das Schlagloch schuld, welches ich nicht früh genug erkennen konnte«, antwortete Nathalia lachend und hob die Peitsche.
Der schwarze Wallach lief los, sobald er den Luftzug der Peitschenschnur über seinen Ohren spürte. Nathalia gab ihm den Kopf frei, und so trabte das wuchtige Tier mit den großen Hufen und der auffälligen Fesselbehaarung im schnellen Tempo aus dem Hof und lief den Weg zur Landstraße entlang. Da die Straße unbefestigt und nicht ganz eben war, schwankte das Gig so, dass Lore sich festhalten musste.
»Müssen wir so rasch fahren?«, fragte sie Nathalia.
Diese schüttelte lachend den Kopf. »Nein, nötig ist es nicht, aber es macht Spaß. Pass auf deinen Hut auf, sonst weht es ihn noch davon!«
Erneut tanzte die Peitschenschnur über den Ohren des Wallachs, und dieser griff noch stärker aus. Jetzt musste Lore sich mit einem Arm an den Wagen klammern und das luftige Gebilde auf ihrem Kopf mit der freien Hand festhalten. Als sie sich kurz umdrehte, sah sie Drewes breit lächeln. Offenbar hatte er Spaß daran, seine Schülerin so schneidig fahren zu sehen.
»Wenn Sie wollen, Komtess, läuft der Wallach in diesem Tempo bis Nehlen«, rief er Nathalia zu.
Diese lachte erneut, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich will ihn nicht zu sehr erschöpfen, sonst kann er auf dem Heimweg nur noch kriechen.«
»Der nicht«, antwortete der Kutscher ein wenig gekränkt, schließlich war
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