Julischatten
der Crow – kam extra für den Deal aus Montana angereist. Er hatte Jimis Handynummer. Wenn etwas dazwischengekommen war, hätte er bestimmt angerufen. Oder etwa nicht?
Zwanzig nach eins. Halb zwei. Langsam wurde er nervös. Wo blieb der Scheiß-Krähenindianer bloß? Bisher war alles bestens gelaufen. Marolas Cousin Arvin hatte die Verbindung zu Luis Thunder hergestellt. Arvin konnte Tyrell nicht ausstehen und er war Jimis Freund, auf ihn konnte er sich verlassen. Nichts würde schiefgehen.
Wenn Jimi die zwölftausend Mille in der Tasche hatte, war er frei und musste nicht mehr für Tyrell dealen – für einen Hungerlohn. Die letzte Rate für den Computer war bezahlt. Er würde ein ordentliches Auto kaufen, einen Van von VW (bei Liberty Motors stand einer für fünftausend Dollar). Sie würden ihre Habseligkeiten einladen, er würde aus Tyrells Zimmer holen, was ihm gehörte, und mit Lukas aus dem Reservat verschwinden. Zuerst würden sie ans Meer fahren, wovon Lukas sein Leben lang geträumt hatte, und dann an der Küste entlang bis runter nach Mexiko. Jimi wollte nach seinem Vater suchen. Seine Mutter hatte ihm erzählt, dass er aus einem Dorf nahe der Stadt Oaxaca kam, das Ixtlán hieß.
Für einen Moment dachte Jimi an Sim, an ihre dunkel umrandeten Stachelbeeraugen, in denen er ehrliche Zuneigung gelesen hatte. Etwas, das ihn verwirrte. Ihr Blick hatte ihn verletzlich gemacht, und das hasste er. In seiner Welt war kein Platz für Schwäche, er musste stark sein, einen klaren Kopf bewahren, durfte sich nicht einlullen lassen, sonst würde er untergehen.
Kurz vor zwei wählte er Luis Thunders Handynummer. Es klingelte, aber niemand ging dran. Als Jimi klar wurde, dass der Crow ihn versetzt hatte, packte ihn die Wut. Noch länger zu warten, war sinnlos. Vermutlich hatte Thunder kalte Füße bekommen – oder sonst was war passiert –, er wusste es nicht und es spielte jetzt auch keine Rolle mehr.
Er verließ das Restaurant und lief entlang der auf der anderen Straßenseite geparkten Wagen zu Jos Pick-up. Der Deal war geplatzt und mit ihm Jimis großartige Pläne. Vorerst jedenfalls. Aber obgleich die Enttäuschung bitter schmeckte, hatte er seine Wut einigermaßen unter Kontrolle.
Irgendwie würde er den Stoff schon loswerden. Vielleicht nicht auf einmal, das war vermutlich zu blauäugig gewesen. Aber er kannte eine Menge Leute und würde sein Päckchen schon noch an den Mann bringen.
Als Jimi auf dem Weg zu den Cascade Falls die Abzweigung zum Autofriedhof erreichte, atmete er tief durch. Wichtig war, jetzt nicht die Nerven zu verlieren und sich vor allem vor Lukas und Sim nichts anmerken zu lassen.
Er lenkte den Pick-up auf den Schotterweg, der nach einer halben Meile zum eingezäunten Autofriedhof führte. Das Tor stand offen und er bog auf den Platz ein. Er stellte den Kleinlaster ab, schnappte sich sein Werkzeug und ging zu dem kleinen Wohnwagen, in dem der Typ saß, der wusste, wo was zu finden war, und der für die Teile, die die Leute mitnahmen, ein paar Dollar kassierte. Ein Generator brummte, doch die Tür des Wohnwagens war verschlossen, als Jimi daran rüttelte.
Niemand da, auch gut. So würde er zwar nach einem passenden Vorschalldämpfer suchen müssen, sich aber die Kohle dafür sparen. Er durfte keine Zeit mehr verlieren, Sim und Lukas warteten sicher schon auf ihn.
Jimi lief zwischen den Autowracks entlang – die meisten waren Unfallautos – und hatte ziemlich schnell Glück. Der weiße Mustang, den er hinter dem Wohnwagen entdeckte, war zwar nur noch ein Schrotthaufen, aber der Schalldämpfer war gut erhalten. Mit seinem Werkzeug hatte Jimi die festgebackenen Schrauben schnell gelöst und das Auspuffteil abmontiert.
Er schob sein Werkzeug in die Hosentasche und trug den Vorschalldämpfer zum Pick-up. Als er den großen schwarzen Truck mit den verspiegelten Scheiben hinter Jos Pick-up stehen sah, dachte er im ersten Moment, der Mann aus dem Wohnwagen wäre zurückgekommen. Doch schlagartig wurde ihm klar, dass der Typ niemals so ein Auto fahren würde. Und dass jemand, der so ein Auto fuhr, nicht auf Ersatzteile vom Schrottplatz angewiesen war.
Dann fiel ihm auch wieder ein, wo er den Truck schon mal gesehen hatte: vor dem China Buffet in Hot Springs. Und im gleichen Moment wurde ihm klar, was das bedeutete.
Zu spät.
Beide Türen des schwarzen Trucks öffneten sich gleichzeitig und reflexartig sah Jimi sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Seine Chancen standen schlecht. Er
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