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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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warten, bis sich die Wogen geglättet hatten, das Kästchen holen und verschwinden. In Kalifornien fand er bestimmt einen Käufer und mit der Kohle würde er bis nach Mexiko kommen. »Sorry, Chief«, flüsterte er, »aber das musst du verstehen. Ich weiß nicht mehr weiter.«
    Als seine Hose wieder halbwegs trocken war, zog er sie an und machte sich auf den Weg zu den Cascade Falls.

22. Kapitel
    Lukas saß auf dem warmen Uferfelsen und ließ die Füße im Wasser baumeln. Er hatte den Kopf leicht schief gelegt, als würde er auf etwas lauschen. Sim schwamm im großen Becken, beobachtete die Libellen und warf immer wieder einen Blick zu Lukas auf dem Felsen. Sie hatten viel gelacht und Sim war froh, dass sie und Lukas wieder zu dieser einfachen Vertrautheit zurückgefunden hatten, die ihr viel bedeutete.
    Allerdings machte sie sich langsam Sorgen um Jimi. Es kam ihr so vor, als sei er seit Stunden weg. Hoffentlich war mit Jos Pick-up alles in Ordnung.
    Sie schwamm zum Felsen, stieg aus dem Wasser und setzte sich neben Lukas, um sich von der Sonne trocknen zu lassen.
    »Es ist schön hier, so alleine«, sagte sie. Kaum zu glauben, dass niemand aus der Stadt hierher fuhr, um zu schwimmen.
    »Wir sind nicht alleine«, antwortete Lukas.
    Sim wandte sich um und ließ ihren Blick über die leeren Liegestellen und den verlassenen Picknickplatz schweifen. Kein menschlicher Laut war zu hören, nur das Plätschern des Wassers, wenn es über die Felsen von einem Becken ins nächste floss, das Zirpen der Insekten und das leise Rascheln des Schilfs.
    »Dass du die Toten hören kannst«, sagte sie, »ist unheimlich.«
    »Als ich sie zum ersten Mal hörte, fand ich es auch ziemlich spooky«, sagte er. »Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.«
    »Passiert dir das eigentlich oft?«
    »Ziemlich oft. Immer wenn ich dort bin, wo sie sind. Wo sie gelebt haben und wo sie…«, er zögerte, »wo sie gestorben sind. Obwohl sie schon so lange tot sind, ist ihre Verzweiflung immer noch spürbar an diesen Orten, wo Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen. Menschen hinterlassen Spuren, Sim. Etwas, das in der Umgebung hängen bleibt, fühlbar, hörbar.«
    »Vielleicht bleibt mir diese Ebene ja verschlossen, weil ich eine Wasicun bin?«
    »Kann sein«, meinte Lukas. »Vielleicht machst du aber auch dicht, weil du Angst hast, etwas zu sehen oder zu erfahren, was sich nicht mit deiner Weltanschauung vereinbaren lässt.«
    Mit Weltanschauung hat das Hören und Sehen von Geistern nichts zu tun, dachte Sim. Eher mit einer Fehlfunktion des Gehirns. Mit einer Überproduktion von Botenstoffen. Chemisches Chaos, wie beim Verliebtsein. Alles Täuschung, die Geister, die Liebe.
    »Darf ich dich etwas fragen, Luke? Etwas ganz anderes.«
    »Klar.«
    »Was hast du mit meiner Tante und Roos’ Eltern besprochen?«
    Lukas zögerte kurz, bevor er sagte: »Alfred Black Fox ist schwer krank und liegt in Rapid City im Krankenhaus. Einer seiner Neffen hat seinen Namen benutzt und von den Niederländern Geld im Voraus kassiert. Viel Geld, Sim. Er hat sich damit aus dem Staub gemacht.«
    Sim schluckte. Das war schrecklich. Sie dachte an Roos und ihre Hoffnung. »Und was jetzt?«
    »Henry He Dog hat sich bereit erklärt, das Mädchen anzusehen. Wenn er der Meinung ist, ihr helfen zu können, wird er es tun.«
    »Was denkst du?«
    Lukas hob die Schultern. »Sie kommt mir müde vor, als hätte sie aufgegeben.«
    »Roos hat mir von der Chemo erzählt. Wie elend sie sich jedes Mal danach gefühlt hat.«
    »Morgen will Henry mit ihr sprechen.«
    »Müssen Roos’ Eltern dann noch einmal bezahlen?«
    »Nein. Sie müssen die Zeremonie ausrichten, Essen kaufen, einen Starquilt besorgen. Henry nimmt kein Geld für eine Heilzeremonie.«
    Ein schriller Pfiff durchschnitt die Stille. Sim hob suchend den Kopf und sah Jimi am Parkplatzgeländer stehen und winken. »Da ist er ja endlich«, sagte sie. »Wir sollen hochkommen.«
    Sie zogen ihre Sachen an und Sim faltete ihr Handtuch zusammen. An der Hand führte sie Lukas die Stufen hinauf zum Parkplatz.
    Jimi wartete am Pick-up auf sie. »Hey«, sagte Sim, als sie bei ihm angelangt waren. Als Jimi ihr das Gesicht zuwandte, gab sie einen erstickten Laut von sich. Er legte seinen ausgestreckten Zeigefinger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Doch es war sein Blick, der sie schweigen ließ.
    »Hast du das Fell?«, fragte Lukas.
    »Ja, alles bestens. Einen passenden Vorschalldämpfer habe ich auch gefunden. Hat ein bisschen

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