Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
nach Rapid City gebracht werden sollte, war er aus seiner Ohnmacht erwacht und aufgesprungen. Panik hatte sein Gesicht verzerrt. »Sie wollen ihn aufschneiden? Wozu?«
    »Er ist erschossen worden, Luke«, sagte Michael, »da ist eine Obduktion üblich.«
    »Aber er ist tot und ich muss bei ihm bleiben«, rief Lukas. »Er ist mein Hunka-Bruder, ich muss Totenwache halten.« Er schien völlig orientierungslos zu sein.
    Einer der FBI-Beamten hatte Lukas im Genick gepackt und sagte: »Totenwache kannst du im Knast halten oder was glaubst du, wo du die Nacht verbringen wirst?«
    Als Jo das hörte, war sie wie eine Furie von ihrem Stuhl hochgefahren. »Lassen Sie auf der Stelle den Jungen los«, rief sie. »Er wohnt bei mir und gehört zu mir. Lukas ist blind und hat mit all dem, was hier in diesem Haus gelaufen ist, nichts zu tun.«
    »Blind?« Der verkniffene FBI Mann wedelte mit der Hand vor Lukas’ Augen herum.
    Lone Elk, der junge Officer von der Stammespolizei, schaltete sich ein. »Sie sagt die Wahrheit. Ich kenne Lukas Brave schon lange und ich bürge für ihn.«
    Er versicherte Lukas, dass Jimis Leiche zur Beerdigung freigegeben und ins Reservat zurückgebracht würde, sobald die gerichtsmedizinische Untersuchung abgeschlossen war.
    Doch Lukas reagierte nicht mehr. Er war in sich zusammengesackt und selbst Sim hatte nicht mehr zu ihm durchdringen können.
    Gegen elf hatte die Polizei sie dann endlich nach Hause fahren lassen. Michael hatte Lukas ein kleines Holzkästchen in die Hand gedrückt, das jetzt vor ihm auf dem Tisch lag. Er hatte es in der Hand gehalten, bevor der tödliche Schuss gefallen war, und Sim fragte sich, was sich Geheimnisvolles darin verbarg.
    Ihr brummte der Schädel und sie hatte das Gefühl, als würde eine stahlkalte Hand ihr Herz umklammern. Den Kopf auf die Hände gestützt, blickte sie in die müden Gesichter. Jos helle Augen starrten auf einen imaginären Punkt in der Tischplatte. Vermutlich war sie in Gedanken noch in Bernadines Haus. Michaels besorgter Blick ruhte auf ihr. In Lukas’ aschfahlem Gesicht spiegelte sich immer noch Unglauben, seine Hände umklammerten das Holzkästchen. Sim hatte das Gefühl, Jimis Tod war noch gar nicht richtig zu ihm durchgedrungen.
    Eine vertraute Stimme wisperte in Sims Kopf. Ein Schluck Tequila wäre jetzt hilfreich. Zwei Schlucke und die kalte Hand würde ihren Griff lockern. Ein verängstigter, verwirrter Teil von ihr sehnte sich nach der tröstlichen Umarmung des Alkohols, nach dem Vergessen, das der vertraute Freund mit sich bringen würde, denn auch sie wurde die Bilder aus Bernadines Haus nicht los.
    Doch dann fiel ihr Blick wieder auf Lukas, der neben ihr saß. Er brauchte sie. Sie musste stark sein für ihn. Sie legte eine Hand auf seinen Arm.
    »Danke, dass du für mich gesprochen hast, Jo«, sagte er auf einmal, als hätte Sim ihn mit ihrer Berührung in die Wirklichkeit zurückgeholt. Doch seine Stimme klang noch immer wie ein Automat.
    »Das war das Wenigste.« Jo verzog das Gesicht. Der Junge (Jimis Mörder) hatte sie bei seiner Flucht aus dem Haus über den Haufen gerannt und seitdem schmerzte ihre frische Narbe. Halb so schlimm, hatte sie gemeint – und angesichts der Umstände war das wohl auch so.
    Michael nahm ihre Hand und küsste ihre Finger. »Meine Kriegerin«, sagte er.
    »Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Bernadine dieses Kind angeheuert hat, um Jimi zu erschießen. Er war höchstens fünfzehn.« Jo zog die Stirn in Falten. »Irgendwoher kenne ich den Burschen, ich kann mich nur nicht erinnern.«
    »Bernadine hat Tyrell den Auftrag gegeben und er hat den Jungen angeheuert. Vermutlich für ein paar Gramm Koks oder ein paar lumpige Dollar.« Wie ausdruckslos und leer Lukas’ Stimme klang.
    »Und du hast wirklich von alldem nichts mitbekommen?«, fragte Michael.
    Erst nach langem Zögern antwortete Lukas. »Ich wusste schon seit einer Weile, dass Jimi Gras rauchte. Ich hab angenommen, dass er auch welches vertickte. Er und Tyrell haben den Stoff aus Denver mitgebracht. Dass es sich dabei um Kokain handelte, erfuhr ich vor ein paar Tagen durch einen dummen Zufall.« Er biss sich auf die Lippe. »Ich hab geglaubt, Jimi ist da in was reingerutscht. Dass er jahrelang als Koksdealer unterwegs war… mich zum Narren gehalten hat… das ist…«, er senkte den Kopf und verstummte.
    »Offensichtlich wusste das FBI längst Bescheid«, sagte Michael. »Wenn sie Bernadine und Tyrell rechtzeitig verhaftet hätten, wäre Jimi

Weitere Kostenlose Bücher