Julischatten
achtzehn«, sagte Lukas.
»Soso. Und seit wann?«
Lukas druckste ein wenig herum. »Seit gestern«, gab er schließlich verlegen zu.
Jo schnappte nach Luft. »Warum hast du denn nichts gesagt? Wir hätten ein bisschen feiern können.«
»Der Tag war so, wie er sein sollte«, erwiderte Lukas.
Sim merkte, wie sie rot anlief. Die Nacht auch, dachte sie.
»Herzlichen Glückwunsch nachträglich«, sagte Michael. »Dann sind Handy und Sonnenbrille mein Geburtstagsgeschenk. Und wenn du das nicht annimmst, bin ich beleidigt.«
Lukas lächelte. »Okay. Danke, Mike.«
Sim schwieg. Sie musste nichts sagen. Unter dem Tisch lag ihre Hand in seiner.
»Glückwunsch auch von mir«, sagte Jo. »Heute Nachmittag ist Almona im Laden. Dann bringen wir das mit deinen Sachen gleich hinter uns. Besser, ich komme mit.«
Nachdem er ihnen versichert hatte, dass seine Sachen in zwei Kartons passen würden, fuhren sie am Nachmittag mit Michaels Geländewagen nach Manderson.
Zuerst wollte Lukas seine Habseligkeiten zusammenpacken und sich danach von seiner Pflegemutter und allen anderen verabschieden – kurz und schmerzlos. Seine Pflegegeschwister würden ihm fehlen, aber er wusste nicht, ob das umgekehrt auch der Fall sein würde.
Er war sich auch immer noch nicht im Klaren darüber, was er tun sollte: die Polizei verständigen und riskieren, dass Jimi und auch einige seiner Pflegegeschwister im Gefängnis landeten, oder den Mund halten und in Kauf nehmen, dass Tyrell und Bernadine die Drogen weiter ungebremst im Reservat verteilten.
Nur noch fünf Tage, dann würde Sim nach Deutschland zurückfliegen. Er wollte nicht, dass sie von der Drogengeschichte und dem Dilemma, in dem er steckte, etwas mitbekam. Wenn Sim fort war, würde er Jo und Michael alles erzählen und sie um Rat und Hilfe bitten. Ihnen konnte er trauen.
Michael parkte vor dem Trailer und sie stiegen aus. Lukas wunderte sich über die ungewöhnliche Stille, die sie auf Bernadines Anwesen empfing. Kein Nunpa, kein Marcel, die Basketball spielten. Kein Fernseher, der aus dem Inneren des Trailers plärrte, kein Gelächter, sogar das Trampolin schwieg. Nur das vertraute Schnauben der Pferde war zu hören.
Im Trailer war niemand, doch Jimi musste noch vor Kurzem hier gewesen sein, denn in ihrem Zimmer roch es nach seiner würzigen, unverkennbaren Tabakmischung.
»Jimis Sachen sind weg«, sagte Sim.
Lukas ging zum Schrank. Die Türen standen offen, die Fächer auf Jimis Seite waren leer. Er hatte sein Zeug geholt und war fort. Lukas fühlte Erleichterung – nun, da er wusste, dass sein Hunka-Bruder lebte. Obwohl es Jimi sicher schwergefallen war, das Res ohne sein geheimnisvolles Kästchen zu verlassen, war es so am besten. Bernadine und Tyrell würden bestimmt nicht versuchen, ihn aufzuspüren.
Lukas’ Habseligkeiten waren schnell in den beiden Kartons verstaut. Viel war es nicht, nur ein paar Klamotten, ein grünblauer Starquilt, den er von Henry für seine Hanbleceya bekommen hatte, seine Powwow-Kleidung, die Schreibmaschine und ein paar Bücher in Brailleschrift, ein uralter Kassettenrekorder mit ein paar Kassetten.
Michael trug die Kartons zum Auto.
»Ich gehe mal rüber, um mich zu verabschieden«, sagte Lukas. »Ist besser, wenn ich das alleine erledige.«
»Wenn Bernadine Trouble macht, dann gib uns ein Zeichen und wir kommen.«
»Alles klar«, murmelte er. Hoffte, dass es keinen Trouble gab. Er war volljährig, konnte tun und lassen, was er wollte. Bernadine musste nur seine Geburtsurkunde herausrücken.
Mit einem Gefühl der Beklommenheit machte Lukas sich auf den Weg zum Präsidentenpalast. Er war Bernadine immer dankbar gewesen für das Zimmer und sein Bett. Ein eigenes Bett gehörte zu den Auflagen des Jugendamtes, selbstverständlich war es deshalb trotzdem nicht.
Aber jetzt grauste ihm vor der Begegnung mit seiner Pflegemutter. Sie würde ihn als undankbar hinstellen, das tat sie immer, wenn einer ihrer Schützlinge sich beschwerte. Vielleicht würde sie die Geburtsurkunde nicht freiwillig herausrücken, aber deshalb waren ja Jo und Michael zur Verstärkung mitgekommen.
Auch aus Bernadines Haus drang kein Laut. Als Lukas die Tür öffnete und die Wohnküche betrat, wurde ihm immer mulmiger zumute. Abgesehen vom Brummen des großen Kühlschrankes war es totenstill. Lukas konnte sich nicht erinnern, dass es in den vergangenen zehn Jahren in diesem Haus ein einziges Mal so still gewesen war wie heute. Der Fernseher lief sonst rund um die Uhr und
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