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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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irgendjemand war immer da. Wo waren alle hin?
    »Hallo«, rief er, »jemand hier?«
    Er hörte ein leises Geräusch im hinteren Teil des Flures, von dem die Zimmer abgingen. Lauschend tastete er sich den schmalen Flur an der Wand entlang, vorbei an zwei verschlossenen Zimmern. Das dritte Zimmer gehörte Tyrell und die Tür stand offen. Ein Geruch nach ungewaschenen Kleidungsstücken schlug ihm entgegen.
    »Tyrell?«
    Niemand da. Ein Rascheln aus dem benachbarten Raum – Bernadines Reich. Warum antwortete sie ihm nicht?
    Mit rasendem Herzen tastete er sich weiter, bis er den offenen Türrahmen von Bernadines Zimmer erreichte und seine Finger verwundert über zersplittertes Holz glitten. »Bernadine? Bist du da?«
    Er spitzte die Ohren, atmete einen vertrauten Geruch ein.
    »He, Amigo«, sagte Jimi mit leiser Stimme. »Ich dachte, du wohnst nicht mehr hier.«
    Was machte Jimi in Bernadines aufgebrochenem Zimmer? Die Gedanken jagten wild durch seinen Kopf. Nur keine falschen Schlüsse ziehen, dachte Lukas. »Ich bin gekommen, um mich von Bernadine zu verabschieden.«
    »Tja, unsere Super-Mom ist nicht hier. Schlechtes Timing, Amigo. Alle anderen sind auch ausgeflogen. Merkwürdig, oder nicht?«
    »Was machst du in ihrem Zimmer?«
    »Holen, was mir gehört.«
    Sofort dachte Lukas an das Kokain und Wut kochte in ihm hoch.
    »Wieso tust du das, Champ?«, stieß er hervor. »Du weißt, was das Kokain aus unseren Leuten macht. Es zerstört sie. Du zerstörst deine eigenen Leute. Ich dachte, du wolltest wie er sein. Crazy Horse hat immer nur das Beste für sein Volk im Sinn gehabt.«
    Jimi schien sich nicht zu wundern, dass Lukas von dem Kokain wusste. »Und, was hatte er davon?«, entgegnete er. »Sie haben ihn verraten. Sie waren neidisch auf ihn und am Ende waren es seine eigenen Leute, die ihn festhielten, damit der tödliche Bajonetthieb auch wirklich traf.«
    Ungläubig schüttelte Lukas den Kopf. Worüber sprachen sie eigentlich, hier, im Zimmer ihrer Pflegemutter? Wo sie beide nichts zu suchen hatten?
    »Damals ging es um Land, Jimi. Um unser Land und unseren Stolz. Das war etwas ganz anderes. Solche Idioten wie Tyrell verdienen Geld für Leute, die in Mexiko Kinder erschießen. Und du bist nicht besser als er, denn du hilfst ihm dabei.«
    Vier, fünf Herzschläge vergingen in Schweigen.
    »Ich bin nicht hier, um Kokain zu holen«, sagte Jimi schließlich. »Und seit wann weißt du überhaupt davon?«
    Jimi kam auf ihn zu und Lukas zwang sich, nicht zurückzuweichen. Als er den Mund aufmachte, um zu antworten, drückte etwas gegen seine Brust und er griff zu. Ein Kästchen aus Holz. Das Kästchen.
    »Bernadine hatte es«, sagte Jimi. »Bernadine und nicht Tyrell, wie ich es all die Jahre geglaubt hatte. Aber das ist noch nicht alles, Luke. Sie ist die Super-Kokainmom. Bernadine hat uns dazu gezwungen, für sie zu arbeiten, sogar die Kleinen. Jeder Einzelne von uns steckt mit drin in ihrem florierenden Koksgeschäft. Sie hat Kohle ohne Ende verdient mit unserer Abhängigkeit.« Jimi versagte die Stimme.
    »Warum hast du mir nie davon erzählt?«
    »Mir hat der Mut gefehlt, Luke.«
    »Wieso?«
    »Weil du mich dann gehasst hättest.«
    »Ich bin dein Freund, du Idiot.«
    Jimis Stimme klang wieder fester. »Das war ja das Problem, Amigo. Lukas Brave mit seiner kompromisslosen Ehrlichkeit. Du hättest keine Nacht mehr ruhig geschlafen, wenn du es gewusst hättest. Womöglich hättest du dich irgendwann verplappert und den ganzen Laden auffliegen lassen. Ich habe den Gedanken, dass du mich hassen könntest, einfach nicht ertragen. Und ins Gefängnis kann ich nicht, das würde mich umbringen. Das verstehst du doch, oder? Luke?«
    »Dass du dealst, weiß ich schon lange«, sagte Lukas und beantwortete damit die Frage, die Jimi ihm zu Anfang gestellt hatte. »Aber dass es dabei um Kokain geht, erst seit ein paar Tagen. Du… ihr alle… ihr habt mich zum Narren gehalten.« Lukas’ Magen krampfte sich zusammen. Mit einer Hand hielt er sich am Türrahmen fest.
    »Ja, Luke, das haben wir. Es tut mir leid, aber mir blieb keine Wahl.«
    Man hat immer eine Wahl, dachte Lukas.
    »Ich habe Bernadine und Tyrell belauscht«, sagte er. »Sie hat ihm den Auftrag gegeben, dich aus dem Weg zu räumen. Deshalb wollte ich dich an der Schlucht treffen. Ich wollte dich warnen und du hast mich im Feuer stehen lassen.« Er schluckte. »Hast du das Feuer gelegt, Jimi?«
    »Meine Kippe war nicht richtig aus. Ich habe gesehen, dass es anfing zu

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