Julischatten
paar Umdrehungen im Blut würde sie weniger Hemmungen haben, Smalltalk zu machen, und sich vielleicht sogar amüsieren.
Vor einer Weile hatte Sim eine Flasche Jim Beam herumgehen sehen. Die Frage war nur, wie man an etwas Illegales kam, wenn man am Jahrestag von Custers letzter Schlacht die einzige Weiße unter lauter Lakota-Indianern war?
Sie hätte Jimi fragen können. Aber der war mit der Dramaqueen beschäftigt und Lukas… Lukas unterhielt sich schon seit geraumer Zeit angeregt mit Cammie. Außerdem: Nach allem, was er ihr heute erzählt hatte und was sie inzwischen über ihn wusste, würde er bestimmt nicht begeistert reagieren, wenn sie ihn fragte, wie sie an die Whiskeyflasche kommen konnte.
In Lukas’ schwarzer Brille spiegelten sich die Flammen des Lagerfeuers. Als Cammie ihm etwas ins Ohr flüsterte und kicherte wie eine Zwölfjährige, lachte er.
Hatte Sim gerade das Wort Wasicun gehört – oder war sie paranoid? Lachten die beiden über sie? Schließlich war sie hier die einzige Weiße weit und breit.
Sim sah auf ihre Uhr und wurde langsam nervös. Es war Viertel vor zehn. Abgesehen davon, dass ihre Laune auf dem Tiefpunkt angelangt war, hasste sie es, abhängig zu sein und nicht einfach verschwinden zu können.
Sie stieß Lukas ihren Ellenbogen in die Seite. »Es ist gleich zehn«, flüsterte sie. »Tante Jo reißt mir den Kopf ab, wenn ich nicht pünktlich bin.«
Lukas wandte sich ihr zu: »Was ist mit deinem Kopf?«
Sim verdrehte die Augen und verfluchte die fremde Sprache. Warum verstand er nicht, dass sie nach Hause musste, er war doch sonst nicht so schwer von Begriff. »Nichts ist mit meinem Kopf, ich muss nach Hause, das ist alles.«
Er nickte. »Du musst Jimi Bescheid sagen.«
»Er ist mit der… mit Marola beschäftigt und raucht einen Joint nach dem anderen.«
Lukas erhob sich, lauschte in das Stimmengewirr und lief mit ausgestreckten Händen direkt auf Jimi zu. Der brach mitten im Satz ab und blickte an Lukas hoch. »Was gibt’s, Amigo?«
»Sim muss nach Hause«, sagte Lukas, laut genug, dass alle es hören konnten. Sim spürte Blicke auf sich, fragende Blicke, amüsierte Blicke, unfreundliche Blicke, hämische Blicke. Hörte wieder das Wort Wasicun. Ihre Münder schienen es zu formen, wenn die Indianer sie ansahen.
»Ich komme ja schon«, brummte Jimi genervt, stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und stand auf. Er hängte sich an Lukas’ Schulter und schob ihn an den Leuten vorbei vom Feuer weg. Sim verabschiedete sich von Teena und Cammie und folgte den beiden.
»Warum fährst du sie nicht?«, nuschelte Jimi auf dem Weg zu seinem Auto. »Es ist doch sowieso stockdunkel.« Er lachte, als hätte er soeben einen grandiosen Witz gemacht. Sein Gang war schwankend und Sim fragte sich, wie er in diesem bekifften Zustand ein Auto lenken wollte.
Bei Jimis Mustang angelangt, war Lukas anscheinend zum selben Schluss gekommen. »Du bist völlig zugedröhnt, Champ«, sagte er. »So kannst du nicht fahren.«
Jimis Lachen klang nicht sehr vielversprechend. »Und ob ich fahren kann, ich kann sogar besonders gut fahren, ich…« Auf einmal verstummte er. Es schien, als hätte er einen Geist gesehen, was in seiner Verfassung nicht weiter verwunderlich gewesen wäre.
Doch dann entdeckte Sim den Grund für sein plötzliches Schweigen. Der Tankdeckel an seinem Mustang stand offen. Mit einem leisen Fluch ließ Jimi ihn zuschnippen. Er ging um den Wagen herum, öffnete schweigend die Fahrertür und setzte sich. Er startete den Motor und ließ ihn aufheulen. Dann stellte er den Motor wieder ab, stieg aus und schlug die Tür zu.
»Wenn ich das Arschloch in die Finger kriege…«, fluchte er und trat wütend gegen einen Hinterreifen. »Du hast recht, Amigo, ich kann nicht fahren.« Damit ließ er Sim und Lukas stehen, machte kehrt und lief zum Feuer zurück.
»Was meint er damit?«, fragte Sim entgeistert.
»Anscheinend hat jemand mit seiner Res-Kreditkarte getankt.«
»Mit seiner was?«
»Irgendjemand hat aus Jimis Wagen das Benzin abgezapft. Das kommt immer wieder mal vor. Die Leute haben kein Geld und na ja…« Lukas zuckte verlegen mit den Achseln.
Okay, dachte Sim, der Tank ist leer. »Und wie komme ich jetzt nach Hause?«
»Ich bringe dich«, sagte Lukas, ohne zu zögern.
»Du?«, stieß sie ungläubig hervor. »Aber wie…«
»Du hast doch gestern reiten gelernt.« Er lächelte in ihre Richtung.
»Oh nein.« Voller Inbrunst schüttelte sie den Kopf. »Das
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