Julischatten
sein, ich verspreche es.« Er hörte, wie Sim erleichtert ausatmete. »Jetzt würde ich gerne Ghost zu den anderen Pferden bringen. Hilfst du mir?«
»Ja, klar.«
Ghost wusste, wo es zur Koppel ging. Sim folgte den beiden.
»Wieso machst du eigentlich nicht beim Rennen mit?«, fragte sie ihn.
Lukas antwortete nicht gleich. Er überlegte, ob er die Wahrheit sagen sollte, denn es würde so klingen, als ob er Jimis Teilnahme am Rennen missbilligte.
»Tut mir leid, wenn ich was Falsches gefragt habe.« Sie klang verunsichert.
»Nein, warum solltest du nicht fragen?«
Zweimal war er mit Ghost dieses Rennen geritten, hatte sein Pferd bis an die Grenze seiner Kräfte getrieben. Das wollte er nie wieder tun. Lukas beteiligte sich gerne an den Wettkämpfen, jedoch ohne den ehrgeizigen Siegeswillen, den Jimi dabei an den Tag legte. »Ich war zweimal dabei, das ist genug.«
Sim schwieg. Das schätzte er so an ihr. Sie wartete, bis er von sich aus weiterreden würde.
»Im vergangenen Jahr hat einer der Reiter sein Tier derart gejagt, dass es in der Hitze zusammenbrach und erschossen werden musste«, erzählte er. »Seitdem heißt es auch das Selbstmord-Rennen. Pferde tun alles für ihre Reiter, deshalb ist es umso schlimmer, wenn man ihr Vertrauen missbraucht. Ghost ist für mich nicht nur ein Pferd, er ist mein Freund, mein Kola, und sein Vertrauen ist mir wichtiger, als bei einem Rennen Sieger zu sein.«
»Und Jimi sieht das nicht so?«
»Jimi ist Jimi. Er will gewinnen. Und wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, ist er dabei.«
Mit Sims Hilfe führte er Ghost auf die kleine Koppel unter Bäumen, auf der noch andere Pferde standen. Der Schecke schnaubte unwillig.
»Ich weiß«, Lukas strich über seinen Hals, »du kennst einige hier nicht. Aber du wirst schon klarkommen mit ihnen. Es ist ja nur für eine Weile.« Ghost war ein geselliges, ein verträgliches Pferd, und wenn die anderen ihn in Ruhe ließen, würde er keinen Ärger machen.
Eine Weile standen sie noch am Koppelzaun, weil Sim sich die Tiere anschauen wollte. Lukas musste schon seit geraumer Zeit auf die Toilette, aber auch wenn er ungefähr wusste, in welcher Richtung die Klohäuschen standen, ohne Hilfe würde er nicht hinfinden. Er konnte sich in Sims Beisein aber auch nicht einfach an den Wegesrand stellen und pinkeln. Der quälende Druck auf der Blase trieb ihm die ersten Schweißperlen auf die Stirn.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Sim.
Starrte sie ihn etwa an? »Ja. Das heißt, nein«, presste er hervor. »Kannst du mich zur Toilette bringen? Sie muss irgendwo dort drüben sein.« Er deutete in Richtung Westen.
»Klar, kein Problem, ich muss auch mal.«
Erleichtert atmete Lukas auf. Er streckte seine rechte Hand aus und ließ sie auf halber Höhe in der Luft schweben, um sie auf Sims Schulter zu legen. »Du musst mich führen, okay?«
»Okay.« Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre linke Schulter. Dann lief sie los, langsam, damit er ihr folgen konnte. Aber es funktionierte nicht, sie kamen einfach nicht in einen vernünftigen Gleichklang mit ihren Schritten und Lukas trat ihr in die Fersen.
»Sorry«, sagte er.
Sim blieb stehen. »Bei Jimi und dir sieht es ganz leicht aus.«
»Kein Problem.« Lukas versuchte ein Lächeln und hoffte, dass es bei ihr ankam. »Lauf einfach los, vergiss, dass ich da bin.« Hauptsache, wir kommen ans Ziel, bevor ich in die Hose gepinkelt habe.
Sim versuchte es, aber nach ein paar Schritten stoppte sie unvermutet und er stieß gegen ihren Rücken. Ihre Hand griff nach seiner.
»Versuchen wir es so.«
Lukas’ Finger schlossen sich um ihre Hand, die warm war und ein bisschen klebrig. Er war es gewohnt, sich an anderen festzuhalten und führen zu lassen. Nach dem Unfall, als Siebenjähriger, hatte er lernen müssen, anderen Menschen zu vertrauen, sonst wäre er erledigt gewesen.
Schon bald roch Lukas, dass sie die beiden Plumpsklos erreicht hatten. Sim blieb stehen, ließ ihn aber nicht los.
»Was ist?«
»Beide besetzt, wir müssen warten.«
Auch das noch. Um sich abzulenken, versuchte Lukas, sich vorzustellen, was für ein Bild sie abgeben mussten, Hand in Hand vor den beiden Klohäuschen. Wenn er nicht so dringend gemusst hätte, hätte er es komisch finden können.
Zwei Türen klappten gleichzeitig. Sim führte ihn, legte seine Hand auf den Türgriff.
»Ist das auch das Männerklo?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.
»Ja. Kommst du klar?«
»Ja. Und du, kommst du klar?«
»Das hoffe
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