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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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ihren Hemden konnten sie nicht vor den Kugeln der Soldaten schützen. In dieser kalten Dezembernacht haben sie unseren Mut und unsere Hoffnung getötet.« In Jimis Stimme schwang so viel Resignation mit, dass Sim ein kalter Schauer über den Rücken fuhr. »Die Toten, sie haben noch eine Rechnung offen, verstehst du? Deshalb kann Luke sie hören und sehen.«
    »Aber irgendwann muss es doch mal vorbei sein«, sagte sie.
    Ein finsterer Ausdruck erschien auf Jimis Gesicht. »Es ist nie vorbei, niemals«, sagte er leidenschaftlich und Sim dachte, dass hundertzwanzig Jahre anscheinend nicht ausreichten, um zu vergessen und aus einem Ereignis Geschichte werden zu lassen.
    »Die Leute haben große Hoffnungen auf Obama gesetzt«, fuhr Jimi fort. »Er hat Versprechungen gemacht, aber nichts ändert sich, alles wird nur noch schlimmer. Und dann kommen Leute wie diese Tabea, mieten sich riesige Allradschlitten und holen sich, was uns noch von unserer Würde und dem Wissen geblieben ist, das uns einst stark gemacht hat.«
    »Warum hast du sie an diesen Ort geführt, wenn du sie doch hasst?«, fragte Sim.
    »Ich hasse sie nicht«, erwiderte Jimi verächtlich, »mein Hass ist ganz anderen Leuten vorbehalten. Und außerdem habe ich nicht sie hergeführt, sondern dich. Ich habe dafür bloß ihren Wagen benutzt, denn ohne Allradantrieb kommt man hier nicht rauf.«
    Sim spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und ihr Herz zu galoppieren begann. Sie fühlte sich verwirrt und geschmeichelt zugleich. »Danke«, sagte sie. »Es ist der schönste Ort, den ich je in meinem Leben gesehen habe.«
    Jimi lächelte zufrieden. »Ich weiß.«
    Sim wandte den Blick wieder zum Horizont, wo sich die dunklen Wolken zu einer schwarzblauen Wand verdichtet hatten, die jetzt langsam auf sie zukam. Die Felsen veränderten ihre Farben in der sinkenden Sonne. Sim vergaß Tabea, die irgendwo dort oben saß. Für einen vollkommenen Moment gab es nur sie drei, vereint durch die Magie dieses Ortes. Und wie schon am ersten Tag wünschte Sim, ihr würden Flügel wachsen, damit sie wie ein Vogel über diese unwirkliche Landschaft fliegen konnte.
    Sie hätte ewig so sitzen und träumen können. Doch Lukas erwachte ganz plötzlich von den Toten und stand auf. »Wir sollten aufbrechen«, sagte er, »da braut sich ordentlich was zusammen.«
    Sim sah Jimi fragend an und er hob die Schultern. »Er hat immer Druck auf den Ohren, wenn ein Unwetter naht.« Er stand ebenfalls auf und half ihr auf die Beine. Jimis Hand war warm und trocken, und als sie ihn losließ, schien er es zu bedauern.
    Während sie den Pfad zum Plateau hinaufstiegen, wurde der Wind stärker und wehte ihnen Staub und vertrocknete Pflanzenteile ins Gesicht. Sim wandte sich noch einmal um und sah, wie eine Windböe Tabeas Safarihut ins Tal wehte. Sie machte Jimi darauf aufmerksam und er lachte kopfschüttelnd.
    »Ich nehme an, ihre Laune wird dadurch nicht besser«, sagte er. »Ich hoffe, sie verlangt nicht von mir, dass ich ihn ersetze. Sie sah sowieso dämlich aus damit.«
    Tabea rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn um den Wagen. »Wo seid ihr gewesen?«, schrie sie. »Ein Tornado kommt, wir werden alle sterben.«
    »So schnell stirbt sich’s nicht«, bemerkte Lukas lakonisch, als sie ins Auto stiegen.
    Jimi wendete den Blazer und fuhr vorsichtig den holprigen Weg zurück ins Tal. Jo hatte recht, er war ein guter Fahrer mit seinen nicht mal achtzehn Jahren. Völlig ruhig und gelassen lenkte er den schweren Wagen durch tiefe Rinnen und aus dem Boden gewaschene Felsbrocken. Sim fühlte sich sicher, aber insgeheim fragte sie sich, wie befahrbar der Weg noch sein würde, wenn das schwarze Ungeheuer am Himmel sie hier oben erwischte.
    Zurück auf der Asphaltstraße begann Tabea, vor Erleichterung belangloses Zeug zu plappern. Die dunkle Wand war verschwunden, aber der Wind hatte zugenommen und drückte gegen die Seiten des Autos. Jimi stellte das Radio an und suchte KILI FM, den Reservatssender. Als er ihn gefunden hatte, hörten sie die eindringliche Warnung des Sprechers, in den nächsten Stunden lieber zu Hause zu bleiben.
    Das klang alarmierend, aber da die Sonne schien, machte Sim sich keine Gedanken. Sie würden ohnehin bald zu Hause sein.
    Doch als Jimi an der Rockyford-Schule nach Manderson abbog, stand die dunkle Wand plötzlich wieder vor ihnen, so nah und bedrohlich, dass Sim das Herz in die Hose rutschte. Die Sonne war schlagartig verschwunden, es wurde finster und im nachtblauen Dunkel

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