Julius Lawhead 2 - Flammenmond
Mann. Er ist Lakota. In seinem Stamm hat das Ritual eine lange Tradition.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber … hast du nicht selbst gesagt, dass du nicht tanzen kannst, weil die Sonne dich verbrennen würde?«
»Flying Crow kann nachts tanzen!«
Ich fuhr herum. Red Deer stand direkt neben mir. Wie viel von dem Gespräch hatte er mit angehört?
»Wakan Tanka, der Große Geist, hat es mir in meinen Träumen gezeigt. Flying Crow ist ein Lebewesen der Nacht, er kann nachts tanzen. Der Mond wird die Sonne ersetzen. Der Große Geist ist in allem.«
»Hast du denn immer noch nicht genug gelitten, Brandon?«, fragte ich aufgebracht.
Brandon sank vor mir auf die Knie und küsste meinen Puls.
»Steh auf.«
»Du kannst nicht für ihn entscheiden!«, mischte sich der Medizinmann ein.
»Doch, das kann ich«, fauchte ich. Dann atmete ich einmal tief durch und sah hinab zu Brandon. Er wollte einen Schmerz durch einen anderen tilgen, so war es doch, oder? Womöglich ließe sich Feuer tatsächlich mit Feuer bekämpfen. Und glomm dort nicht schon ein Fünkchen Hoffnung in seinen trauerschwarzen Augen?
Red Deer berührte mich am Arm. Diesmal fühlte ich seine Magie wie ein kaltes Rauschen. »Du weißt um die Kraft des Großen Geistes, Julius Lawhead«, sagte er ruhig. »Dann kannst du auch erkennen, dass der Mann, der vor dir kniet, etwas von dir erbittet, was längst entschieden ist. Flying Crow wird tanzen.«
»Steh endlich auf, Brandon.«
Er kam langsam auf die Beine. »Ist das ein Ja?«, fragte er vorsichtig.
»Sicher, natürlich. Es ist deine Entscheidung.«
Ich hatte mir einmal vorgenommen, ein anderer Meister zu sein als Curtis und viele der alten Vampire, die ich erlebt hatte. Meine Eidgebundenen sollen ihr Leben selber leben können.
»Wenn er an diesem Tanz teilnimmt, was passiert dann mit ihm und wann?«, wandte ich mich an den Alten.
»Ich spreche mit einigen weisen Männern und Frauen, aber eigentlich müssen wir nur den Baum holen. Ich weiß seit Jahren, wo unser Zentrum des Universums wächst und wartet. Wir fällen ihn gemeinsam und tragen ihn zum Tanzplatz, dann reinigen wir uns, beten und der Tanz kann beginnen.«
»Was genau hast du mit ihm vor?«
Brandon berührte mich am Arm. »Ich werde sicher sein. Wenn du mich tanzen lässt, verstößt das nicht gegen den Eid. Ich muss gehen, die Sonne …« Brandons Herzschlag beschleunigte sich alarmiert. Er hatte lange gewartet, fast schon zu lange.
»Geh, beeile dich. Ich spreche mit Red Deer.«
Brandon sah den alten Mann dankbar an. »Hau hinhani kin wacin yakin kte« , verabschiedete er sich mit vorsichtig gewählten Worten.
»Ohan, toksa ake« , erwiderte Red Deer ungleich flüssiger.
Brandon floh in den Wohnwagen. Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, bat ich den Alten, mit mir in den Schatten zu treten, damit mich das Licht der Dämmerung nicht erreichte, und er erklärte mir, was bei dem Ritual mit Brandon geschehen würde. Dann war es auch für mich Zeit zu ruhen.
Ich betrat die wohltuende Dunkelheit des Wohnwagens und schloss die Tür ab. Amber war schon eine Weile vorher hineingegangen. Sie hatte ein Lämpchen brennen lassen und beobachtete mich mit schläfrigem Blick.
Ich ging zu ihr. Als ich mich hinunterbeugte, entfuhr mir ein leises Stöhnen.
Amber war sofort hellwach. »Bist du verletzt? Warum hast du nichts gesagt?«
»Nur ein Stich, nicht so wild. Heute Abend ist alles vergessen«, wiegelte ich ab. »Wir werden ein paar Tage hierbleiben müssen. Brandon meint, dass ihm ein indianisches Ritual helfen kann, sein Leid zu lindern. Ist das okay für dich oder willst du versuchen, mit einem Bus nach L.A. zu gelangen?«
»Nein, ich bleibe bei euch«, erwiderte sie und sah mich vorsichtig an. »Wir haben uns ja nicht gestritten, Julius. Es ist nur nicht leicht, so nah beieinander zu leben, wenn man eigentlich … «, sie stockte.
»Kannst du uns einen Gefallen tun und den Trailer vor Sonnenuntergang irgendwohin fahren, wo wir jagen können?«
»Sicher.«
KAPITEL 33
Der Tag verging schleppend. Amber saß im Schatten eines Lakens, das zwischen dem Haus der Red Deers und einen knorrigen Baum gespannt worden war, und hoffte, die eingenommenen Schmerztabletten würden endlich wirken und das hämmernde Pochen in ihrem Kopf zum Schweigen bringen. Wie ihr Gesicht aussah, wollte sie lieber nicht wissen. Judiths Schlag hatte sie schlimm erwischt, Judith, die Coe in den Tod gefolgt war.
Der Scheiterhaufen, der die
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