Julius Lawhead 2 - Flammenmond
schon oft genug geführt, um zu wissen, dass es unnütz war, erneut damit anzufangen.
Er erwartete von allen, die den Vampiren regelmäßig Blut spendeten, dass sie ihre Ernährung künstlich aufbesserten. Und deshalb stopfte sich Amber brav die restlichen Pillen in die Hosentasche und sah sich unsicher um.
Bei der Vorstellung, den Pick-up mitsamt dem Wohnwagen rückwärts aus dem schmalen Hoftor rangieren zu müssen, bekam sie Magenschmerzen.
»Soll ich für dich raussetzen?«, fragte Robert, lächelte und war im nächsten Moment schon am Steuer des Dodge.
»Du bist ein Schatz«, rief Amber gegen den Motorenlärm.
Souverän manövrierte Robert das Gespann durch die enge Lücke. Dann war der Zeitpunkt des Aufbruchs endgültig gekommen.
Robert stieg aus und ließ den Motor laufen. Amber liebte diesen Ton, liebte die großen, schweren SUV s, auch wenn sie manchmal ihr Umweltbewusstsein plagte. Langsam begann sie die Aussicht auf eine Fahrt mit dem Dodge zu genießen.
»Es ist Kaffee im Wagen, außerdem Frikadellen und Sandwichs«, sagte Robert und wies auf eine kleine rote Kühlbox auf der Beifahrerseite.
Amber umarmte den Älteren kurz und ließ sich auf den Fahrersitz gleiten.
»Danke für alles. Und du denkst daran, mein Modell bei der Werkstatt abzugeben?«
»Auf jeden Fall, verlass dich auf mich. Viel Glück. Ich hoffe, ihr findet Brandon, und pass auf, dass Julius’ Temperament nicht mit ihm durchgeht.«
»Ich gebe mir Mühe«, seufzte sie.
»Das meine ich ernst, Amber.«
»Ich auch.«
Robert nickte. Amber schlug die Tür zu und schob ihren Sitz nach vorn.
»Wenn etwas ist, ruf mich einfach an«, rief er ihr durch das offene Fenster zu. Amber legte den ersten Gang ein, dann rollte sie vorsichtig die schmale Zufahrt hinunter.
Eine Stunde später kämpfte sie sich noch immer durch das Verkehrschaos von L.A., doch je weiter sie Richtung Pasadena kam, desto besser wurde es. Als endlich das Schild mit den Wegweisern zum Highway 10 auftauchte, waren fast zwei Stunden im Stau verlorengegangen. Das Stop-and-go war zermürbend gewesen, und Ambers Gedanken von einer Sorge zur nächsten gesprungen.
Sie war überrascht, wie sehr sie um Brandon bangte, der sich bei ihren ersten Begegnungen noch eine Freude daraus gemacht hatte, ihr Angst einzujagen. Doch seitdem er Julius den Gefolgschaftseid geleistet hatte, war das anders geworden. Brandon war nicht mehr wiederzuerkennen.
Er war freundlich und still geworden, manchmal konnte er sogar witzig sein. Dennoch wirkte Brandon selbst in Gegenwart seiner Freundin Chris immer ein wenig zu kalt, zu kontrolliert. Es musste an seiner Vergangenheit liegen.
Über Jahrzehnte war er von seinem Schöpfer Nathaniel Coe gequält worden. Aber baute nicht die gesamte Gesellschaft der Unsterblichen auf Gewalt auf? Da verwunderte es doch nicht, dass so mancher über die Stränge schlug.
Die anderen im Clan und auch Julius schienen nicht einen Gedanken daran zu verschwenden, ob es richtig war, Schwächeren seinen Willen aufzuzwingen. Und der Gehorsam, mit dem alle Lebewesen, seien es Menschen oder Vampire, Curtis’ Anweisungen Folge leisteten, ohne seine Entscheidungen auch nur zu hinterfragen, war Amber erst recht ein Gräuel. Nicht mal sie selbst konnte sich einem klaren Befehl des alten Vampirs widersetzen.
Als sie Christina einmal gebeten hatte, ihr zu zeigen, wie sie sich vor Curtis’ Einmischung schützen konnte, hatte die junge Unsterbliche erst gelacht und dann einfach nur den Kopf geschüttelt.
Curtis zu entkommen war unmöglich.
KAPITEL 7
Brandons Seele träumte.
Die Geister der Vergangenheit hatten ihn fest in ihren Klauen, zerrten ihn zurück in eine Zeit, in der die Straßen, die durch das Reservat führten, noch sandige Pisten gewesen waren und Brandon die Tage mit dem Hüten der Schafe verbracht hatte.
Es war Abend. Die Tiere blökten in den Pferchen.
Nachdem Brandon auch das alte Pferd versorgt hatte und sich sein Körper nur noch nach einem Bissen Brot und Schlaf sehnte, ging er zur Hütte hinauf. Wie immer beschlich den Jungen eine gewisse Unsicherheit. Er konnte nie wissen, ob sein Vater heute einen guten oder einen schlechten Tag hatte.
Es war ein schlechter.
Sobald er die Tür öffnete, traf ihn ein Faustschlag mitten ins Gesicht und schickte ihn zu Boden.
Ein Schauer kleiner, harter Gegenstände hagelte auf ihn nieder. Münzen.
»Du verdammter Dieb!«, brüllte sein Vater und schwankte gefährlich.
Brandon wusste sofort, was geschehen war.
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