Julius Lawhead 2 - Flammenmond
verstanden?«
»Ja, Herr«, sagte Brandon schnell und konnte sein Glück kaum fassen. Wenn er für den Mann arbeitete, würde er womöglich bald genug Geld haben, um sich ein eigenes Pferd und ein Gewehr leisten zu können. Dann käme er nicht als Bittsteller, sondern als Krieger zu den Apachen!
Damals war er ahnungslos gewesen und ohne Angst.
Doch diese Begebenheit war ein Traum, und der Träumer wusste, was ein halbes Jahr später geschehen war, als der Fremde sein wahres Gesicht zeigte.
Der Terror, den die Erinnerung auslöste, trieb Brandons Seele zurück in den Körper. Er erwachte am helllichten Tag, mit dem Geruch von Erde und dem seiner eigenen Furcht in der Nase.
In dem Gebäude, in dem Coes Camarilla kampierte, war es totenstill. Brandon sehnte sich danach wieder einzuschlafen, doch den Gefallen tat ihm sein Körper nicht. Unweigerlich drängte sich die nächste Erinnerung auf. Die Nacht, in der seine Existenz endgültig zu dem Martyrium wurde, das er danach jahrzehntelang durchlitt.
Es war eine schwüle Sommernacht gewesen. Seit Sonnenuntergang hatte es kaum Rast gegeben, und die verschwitzten Pferde konnten kaum noch einen Huf vor den anderen setzen.
Der Fremde ließ ausspannen. Dann schickte er den Schwar zen und seinen eigenen Diener Conway zu den beiden Damen, die in der Kutsche reisten.
»Du kommst mit mir!«
Brandon folgte ihm ahnungslos in die Wüste. Als sie ein leeres Bachbett erreichten, an dessen Saum Büsche hoch aufragten, riss ihn der Mann plötzlich zurück. Der Schmerz, der dann folgte, vermischte sich mit anderen Erinnerungen zu wahrer Folter. Der Fremde hatte ihn ohne Betäubung in die Kehle gebissen, machte jeden Schluck zur Qual und weidete sich an dem Leid seines Opfers. Als Brandon aufhörte, sich zu wehren, und sich im Glauben, sterben zu müssen, in sein Schicksal fügte, stieß ihn der Mann von sich.
Der blutende Junge fiel vor ihm in den Sand.
Brandon war einem Vampir zum Opfer gefallen. Die Erinnerung an diese erste Vergewaltigung war durch den Blutverlust getrübt, doch es war später noch oft passiert, zahllose Male, und sein neuer Herr Nathaniel Coe ging immer gleich vor.
Erst trank er von seinem Knecht, dann verging er sich an ihm, trank mehr Blut, das jetzt für ihn noch besser schmeckte. Wenn er von beidem genug hatte, kam die Reue.
Brandons Geist floh.
Sobald er die Lust seines Herrn roch, schlug die Tür zu, die ihn mit dem Körper verband. All die Widerwärtigkeiten geschahen nicht ihm, sondern dem Leib. Als er noch ein Junge war, träumte er sich fort. Später, als Mann, ersetzten Rachegelüste die alten Kinderträume.
Sobald sein Herr von ihm abließ, öffnete sich die Tür in seinem Inneren und sein bedauernswerter Körper gehörte wieder ihm. Oft folgten auf die Vergewaltigung Prügel, denn Coe schämte sich seiner widernatürlichen Triebe und gab Brandon die Schuld. Er beschimpfte sein Opfer, schlug und trat ihn, bis er sich abreagiert hatte. Dann vergingen einige Tage, manchmal auch Wochen bis zum nächsten Mal.
Brandon hatte versucht wegzulaufen, immer wieder, und jedes Mal hatten sie ihn gefunden und die Strafe war schlimmer ausgefallen.
Und dann verschwammen die Jahre, und er vergaß, wer er war und wo er herkam. Er unterschied nur noch zwischen sehr schlimmen Tagen und erträglichen, und die Zeit kroch dahin und wollte einfach nicht vergehen.
Als er achtundzwanzig Jahre alt war, versuchte er ein letztes Mal zu fliehen. Coe hatte ihn eingefangen und zur Strafe fast totgeschlagen. Brandon erinnerte sich noch genau daran. Er lag in einem Haus auf einem abgetretenen Holzboden, umringt von den wenigen Mitgliedern der Camarilla. Sie starrten ihn an, seinen seltsam verrenkten Leib. Coe wütete. Zerbrach Möbel, wie er zuvor Brandon gebrochen hatte. Dann hatte er seinen Entschluss gefasst.
»Tu es nicht!«, schrie seine Frau, »Lass ihn verrecken.«
Im nächsten Augenblick wurde Brandon an der Kehle gepackt und emporgerissen. Coe zerfetzte seine Schlagader und riss mit dem Blut das letzte Leben aus dem Leib.
Am nächsten Abend erwachte Brandon angekettet in einem rohen Lehmkeller. Jetzt, da er selbst zum Vampir geworden war, hatte Coe sogar noch mehr Macht über ihn. Er ließ ihn hungern, tagelang, manchmal über eine Woche. Bis Brandon auch seinen letzten Stolz aufgab und seinen Peiniger anflehte, ihm ein Opfer zu bringen. Der Preis, seinen Durst zu stillen, war sein Körper.
Als ich wach wurde, stand der Airstream. Amber telefonierte und
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