Julius Lawhead 2 - Flammenmond
Wolfsaugen«, sagte sie noch immer ein wenig atemlos.
»Das sind keine Wolfsaugen«, erwiderte ich gespielt beleidigt, »das sind die Augen eines hungrigen Vampirs, der nicht einmal die Hälfte der Vorspeise bekommen hat.«
»Dein Hauptgang läuft da draußen irgendwo herum.«
»Unsinn.« Sie wusste genau, das stimmte nicht. Ich war ihr treu, und das bedeutete auch, dass ich meinen Opfern nur Blut entnahm und eben keine Lust mit ihnen teilte, wie ich es eigentlich vermocht hätte. Ich fühlte, wie meine ungestillte Erregung abklang und damit auch die Farbe meiner Augen dunkler wurde.
»Weg sind sie. Schade«, meinte Amber und strich mir mit dem Zeigefinger über die linke Braue. »Ich verstehe nicht, warum du sie nicht magst.«
»Wenn sie dir gefallen, gefallen sie mir auch.«
Plötzlich bemerkte ich, wie das Leben als kleiner Funke in Stevens Leib zurückkehrte. Christina würde nur Minuten später dran sein.
»Sie werden wach.« Ich zog Amber rasch auf die Beine.
Schuldbewusst strich sie ihr Kleid über die Knie.
Mein Blick fiel auf eine Mappe aus schwarzen Leder, auf deren Einband Curtis’ Initialen und sein Wappen prangten. Löwe, Speer und Herz, vervollständigt durch drei kleine französische Lilien. Ich griff nach der Mappe und lehnte mich gegen die kleine Küchenzeile.
»Kannst du bitte die Särge öffnen?«
»Klar.«
Achtlos blätterte ich durch die Ein- und Durchreisegenehmigungen, an denen jeweils Curtis’ Siegel angehängt war, und überflog die gefaxte Unterschrift eines gewissen Norton Kenley, der anscheinend die rechte Hand des Phoenixer Ratsherrn Dominik Kangra war.
Ich ging zu dem kleinen Sekretär, den Curtis in den Airstream hatte einbauen lassen, und nahm Siegelwachs und Feuerzeug aus einen Fach.
Amber spähte mir interessiert über die Schulter, während ich meinen Ring vom Finger zog, Papiere unterschrieb und mein Siegel neben das von Curtis setzte.
Mein Zeichen konnte nicht mit einem Wappen aufwarten. Es bestand aus den verschlungenen Initialen meines längst verstorbenen Vaters, die zum Glück auch meine eigenen waren, ergänzt durch eine stilisierte Lilie, keine französische, nur eine einfache Lilie.
»Mein Gott, ihr seid so altmodisch!«, stöhnte Amber.
Sie nahm meinen Ring vom Tisch, und ich nutzte die Gelegenheit, um die Urkunde zu lesen, die mir Macht über Stevens Schicksal verliehen.
Ich wollte dem Jungen das nicht antun, doch mein Herz kannte klare Prioritäten. Ich hatte bei Ehre und Blut geschworen, Brandon zu schützen. Die Schwüre raubten mir meine Entscheidungsfreiheit. Wie Brandon keine andere Wahl hatte, als meinen Befehlen zu folgen, so hatte ich keine andere, als ihn zu schützen. Mit einer Unterschrift von mir und einem Anruf von Curtis konnte ich Steven jetzt gegen Brandon austauschen, wenn Nathaniel Coe sich auf diesen Deal einließ. Ich mochte gar nicht an die Konsequenzen denken, sollte es zum Äußersten kommen. Amber durfte unter keinen Umständen davon erfahren.
»Ich glaube, da musst du auch noch unterschreiben«, sagte Amber und tippte auf ein weiteres Papier, das ich bislang nicht bemerkt hatte. Ich erkannte das Formular sofort.
»Was? Die in Phoenix wollen eine Friedgeisel?«
»Ja, und Robert meinte, du müsstest dich dann an die Spielregeln halten, deshalb wäre das sinnvoll«, ergänzte Amber und musterte mich ernst. »Und Curtis lässt dir durch ihn ausrichten, ich zitiere: ›Wenn du Steven brauchst, soll Ann seinen Platz einnehmen‹, was auch immer das bedeutet.«
»Ich weiß schon.« Missmutig siegelte ich auch die Friedgeisel-Vereinbarung und streifte den noch warmen Ring wieder über den Finger. Da erwachte Steven mit einem leisen Schrei. Christinas Herz begann nur einen Augenblick später zu schlagen.
Ich sah auf die Uhr. »Wir jagen und dann müssen wir los, sonst kommen wir doch noch zu spät.«
Amber drehte sich um, zog eine Pfanne aus dem Schrank und stellte sie auf den Herd. »Ich würde ja für euch kochen, aber ihr geht ja wie immer lieber auswärts essen«, sagte sie trocken.
Christina setzte sich in ihrem Sarg auf, und ich war im nächsten Moment bei ihr.
»Brandon?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Ich nahm ihre Hände in meine. Ihr Blick war unstet, suchend.
»Wir sind auf dem Weg, ihn zu holen, Christina.«
Ihr Blick blieb an meinem Gesicht hängen, und die Orientierungslosigkeit verschwand.
»Julius? Du bist hier?«, fragte sie verwundert.
»Ja, Christina. Ich wache über dich, ich bin dein
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