Julius Lawhead 2 - Flammenmond
so schnell gegangen. Er öffnete den Mund, um zu schreien, doch es kam kein einziger Ton heraus.
Coe bohrte ihm seinen Stiefelabsatz in den Rücken. »Hast du deinen alten Platz wiedergefunden?«
Brandon kämpfte gegen Conways Hände, doch der Diener grinste nur und zerrte seine Arme weiter nach vorn. »Zeit zu winseln … na, fang schon an.«
Amber lauschte dem brummenden Motor. Die Wüstennacht war so leise, dass sie den Wagen sogar von ihrem Zimmer auf der Rückseite des Gebäudes aus hören konnte.
Die Vampire fuhren davon – endlich.
Von dem Moment, als Julius aus dem Zimmer stürmte, bis zur Abfahrt des Gespanns war fast eine volle Stunde vergangen. Amber verbrachte die Zeit damit, auf die Uhr zu starren und den Minutenzeiger bei seiner Reise zu beobachten.
Auf ihrem Kopfkissen hatte sich unterdessen ein Fleck gebildet. Tränen färbten den blauen Stoff dunkel. Sie hatte sie einfach laufen lassen.
Warum musste alles, was mit Julius zu tun hatte, nur so verdammt kompliziert sein?, fragte sie sich zum wiederholten Male.
Wie konnte Julius nur!
Wie konnte er ausgerechnet dann wieder die verdammten Siegel zur Sprache bringen, nachdem sie beinahe umgebracht worden war? Noch tiefer in seine Welt zu tauchen war das Letzte, was sie wollte. Verstand er das denn nicht?
Seitdem ihr Curtis von Julius’ alter Liebe Marie erzählt hatte und wie sehr sie einander ähnelten, beschlich Amber immer öfter das Gefühl, dass er vielleicht gar nicht sie liebte. Womöglich wollte er nur eine neue Marie, wie Curtis bei Steven nur ein neues Abbild seines verstorbenen Sohnes suchte.
Einmal, kurz vor einem Kampf, hatte sie in Julius’ Gedanken eine andere Frau entdeckt. Damals hatte sie sie für ein Traumbild gehalten. Die Fremde war ihr zum Verwechseln ähnlich. Nur die Kleidung war anders gewesen, aus dem vorigen Jahrhundert. Damals glaubte sie, Julius würde sich vorstellen, wie Amber in der Kleidung seiner Zeit ausgesehen hätte. Aber das war Unsinn, das wusste sie jetzt. Es war Marie gewesen.
Und vor dem Rat in Phoenix dann wieder … Womöglich hatte er auch deshalb ihr Bewusstsein getrübt, nicht nur wegen der Hinrichtung, sondern auch, damit sie seine Erinnerungen nicht miterlebte.
Julius war einfach so in ihr Leben gestürmt und hatte sich seitdem genommen, was er wollte. Zwar tat er es auf eine charmante Art und Weise, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er nahm, ohne zu fragen. Für ihn war alles selbstverständlich.
Er forderte Ambers Liebe mit der gleichen Vehemenz, mit der er ahnungslosen Opfern Blut raubte oder Gehorsam von Brandon und Christina verlangte. In seiner Welt gab es nur klare Regeln, und Amber sollte gefälligst so funktionieren, wie es von einer Freundin und vor allem von einer menschlichen Dienerin erwartet wurde. Brav und untertänig.
Von außen betrachtet, war die Lösung einfach. Sie sollte diese Beziehung beenden, bevor es noch schwieriger wurde und sie gar keinen Weg mehr zurück in ein normales Leben fand. Doch das war leichter gesagt als getan.
Sie liebte ihn. Liebte ihn mit jeder Faser ihres Körpers, jedem Atemzug, jedem einzelnen Schlag ihres Herzens. Und die Stärke ihrer Gefühle machte ihr selber Angst. Waren sie echt oder ein Produkt der Siegel? Dies war eine Frage, die auch Julius nicht beantworten konnte, aber anscheinend war das für ihn kein Problem. Akzeptiere, was du nicht ändern kannst, im Guten wie im Schlechten, war sein Lebensmotto. Er hatte zu lange in der festgefügten Hierarchie des Clans gelebt, um sich gegen unumstößliche Dinge aufzulehnen, hatte er einmal erklärt, und Amber glaubte ihm.
Für Julius hätte es ewig so weitergehen können, wenn er nicht einen unfreiwilligen Sprung auf der Karriereleiter gemacht hätte und plötzlich zum Meistervampir aufgestiegen wäre.
Jetzt musste er mit den Folgen leben, und Amber wusste, wie schwer er daran trug. Wenn sie bislang eines über ihren Freund in Erfahrung gebracht hatte, dann dass er Verantwortung hasste. Andererseits war er bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um Amber zu retten.
Sie wischte sich die brennenden Augen und stand auf.
Die Morgendämmerung kündigte sich mit einem blassen goldenen Lichtstreifen am Horizont an. Mit müden Bewegungen zog sie die Vorhänge zu und kehrte zum Bett zurück. Am Abend musste sie mit Julius reden, sie musste einfach.
KAPITEL 21
Meine Seele nahm Abschied von der Zeit der Leichtigkeit und kehrte unter Schmerzen in den Körper zurück. Die Sinne
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