Julius Lawhead 2 - Flammenmond
erwachten einer nach dem anderen. Wie Glühwürmchen schwebten die Lebensenergien der Menschen im Trailerpark umher, aber das Licht, das für mich am hellsten schien, fehlte. Amber war nicht gekommen.
Ungeduldig wie jeden Abend und im ewigen Kampf mit meiner Klaustrophobie verharrte ich, bis ich stark genug war, mich aus meinem Sarg zu befreien.
Draußen lachten Kinder. Der Duft von Grillfeuer und gebratenem Fleisch stieg mir in die Nase. Eine fröhliche, perfekte Ferienwelt und mittendrin wir, drei Vampire, und alle waren wir hungrig.
Ich hob den Deckel und setzte mich auf. Am Morgen hatte ich alle Fenster geschlossen, bis auf eines, dessen Lichtstrahl mich, wie ich wusste, nicht erreichen würde. Ich öffnete die Siegel nicht. Ich konnte es auch so fühlen; Amber war nichts zugestoßen und sie hielt sich nicht allzu weit von mir auf. Offensichtlich war sie mir noch immer böse.
Brandon hatte keinen Kontakt mehr mit mir aufgenommen, obwohl Coe scheinbar noch nicht bemerkt hatte, dass der Turmalin ausgebrochen war. Mit Sicherheit fürchtete er, die Aufmerksamkeit des Meisters zu erregen, aber zumindest lebte er.
Unweigerlich richtete sich mein Blick auf die Stelle der U-förmigen Sitzecke, unter der Steven ruhte. Ich stand auf und öffnete den Sarg des jungen Unsterblichen. Er sah aus wie ein toter Engel in einem Bett aus grüner Seide.
Sein Gesicht war blass und ebenmäßig, eingerahmt von goldenen Locken.
Während ich auf Stevens regloses Gesicht blickte, ver suchte ich mir einzureden, dass ein Leben bei Coe nicht allzu schlimm war. Vorausgesetzt, der Vampir war weißer Abstam mung und leistete den vollen Gefolgschaftseid. Auf Zweiteres würde ich genau achten, bei der ersten Voraussetzung bestand bei unserem blondgelockten Jüngling kein Zweifel.
Es Amber zu erklären machte mir fast mehr Sorgen als das Gespräch mit Steven. Sie würde es nicht akzeptieren.
Ich riss mich von meinen finsteren Gedanken los, wusch mich, kleidete mich an und verließ den Wohnwagen zehn Minuten später. Statt zu warten, wollte ich mich mit der Jagd ablenken. Ich überließ mich meinem Trieb und folgte ihm wie ein Tier.
Auf dem Weg zurück zum Airstream fühlte ich Amber, noch bevor ich die Silberhülle des Wohnwagens erblicken konnte. Und wie ich sie fühlte. Sie war wieder ein Teil von mir! Der Turmalin war fort.
Als ich die kleine ovale Tür öffnete, verstaute Amber soeben ihre Tasche in einem der eingebauten Fächer und drehte mir den Rücken zu. Sie hatte den beiden Vampiren bereits die Särge geöffnet.
»Der Turmalin ist verschwunden!«, sagte ich erfreut und legte eine Hand über mein Herz, wo ich ihres wieder schlagen fühlte.
Amber schloss die Schranktür und stand auf. »Abführmittel«, sagte sie knapp. »Und erinnere mich mit keinem Wort daran.«
Ich nickte. Details durfte sie mir gerne ersparen. Damit war aber das Rätsel gelöst, weshalb sie erst so spät zum Wohn wagen gekommen war. Und ich hatte geglaubt, sie sei noch wütend.
Ich ging zu Stevens Sarg und sah hinein. Der Vampir hatte bereits die Augen geöffnet, aber sein Herz schlug noch nicht. Eilig kniete ich mich neben ihn, legte ihm eine Hand auf die Brust und nahm ihm den Schmerz des ersten Herzschlags. Er riss die Augen noch ein Stück weiter auf und lächelte dann.
»Wie hast du das gemacht?«
Ich hatte mir diesen Trick von Curtis abgeschaut. Er hatte auch mich damit beeindruckt. Ich lächelte geheimnisvoll. So schnell würde ich mein kleines Geheimnis nicht preisgeben.
Steven bewegte die Finger, streckte seine Arme und gähnte. »Morgen, Amber«, sagte er und winkte meiner Freundin, die gerade Wasser für Kaffee aufgesetzt hatte.
»Guten Abend, Steven. Das heißt, guten Abend«, erwiderte sie fröhlich. Ich traute dem Frieden nicht ganz. Amber war geschickt darin, ihre wirkliche Laune zu verbergen, fast besser als ich, und auf jeden Fall besser als die meisten Vampire unter einhundert Jahren.
Steven schlüpfte in seine Lederschuhe und fuhr sich kurz durchs Haar.
»Soll ich auf euch warten?«
»Nein, und beeile dich«, meinte ich, während er bereits nach der Türklinke griff.
Gleich musste ich es ihm erzählen! Die Fahrt nach Page dauert nur wenige Stunden und hier war die einzige Mög lichkeit, mit dem jungen Mann unter vier Augen zu sprechen.
Sobald Steven die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat Amber zu mir.
»Es war dumm von mir, gestern einfach abzuhauen«, sagte ich.
»Komm her.« Sie nahm meine Hände und zog mich
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