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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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gemacht?
Nein, die beiden waren die einzigen in Edgewater. Warum haben Sie nichts dagegen unternommen? Warum haben Sie sich nicht gewehrt?
Wehren? Wenn eine ganze Stadt gegen Sie ist? Wenn Ihnen gesagt wird, man würde Ihnen die Eier rausreißen oder den Schwanz abschneiden, wenn man eine Kettensäge vor Ihr Gesicht hält und Sie auslacht? Wenn Ihnen gesagt wird, man würde Sie finden, wo immer Sie auch hingehen würden? War Töten der einzige Weg, diesen Druck loszuwerden?
Es gab keinen andern. Ich habe, glaub ich, andere probiert. Nein, keinen andern. (Er schluchzte wieder.) Könnten Sie Ihre Mutter töten?
Sie ist meine Mutter. Eine Mutter ist heilig, sie tötet man nicht. Man verachtet sie höchstens. Haben Sie die Mädchen mit Ihrer Mutter verglichen?
Ich will weg. Möchten Sie sterben?
Möchten Sie sterben? Meinen Sie nicht, daß die Mädchen auch noch gerne länger gelebt hätten?
Ich habe nicht darüber nachgedacht. Haben Sie überhaupt nachgedacht, wenn Sie ein Mädchen getötet haben?
Nein. Da war nichts mehr. Nur Leere und Druck. Keine Gedanken, kein Überlegen. Denken Sie an Ihre Opfer, wenn Sie allein in der Zelle sind?
Nein.
Könnten Sie mit Ihren Opfern Mitleid empfinden?
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Verspüren Sie jetzt auch Leere und Druck im Kopf? Nein, Sie fragen mich, und ich antworte. Halten Sie sich seihst für verrückt? Es gibt wohl Verrücktere als mich. Vorhin aber haben Sie gesagt, Sie glauben, krank zu sein. Krank und verrückt sind zwei paar Schuhe. Ich bin krank, aber nicht verrückt! Tomlin, wenn ich Sie jetzt frage, was Sie vorschlagen, was am besten für Sie wäre, was Ihre Zukunft angeht, was würden Sie dann antworten?
Die Ruhe im Gefängnis genießen und mich ungestört Gott nähern. Und wie sieht dieses SichGott-Nähern aus?
Das ist mein kleines Geheimnis. Buße tun?
Wofür? Fragen Sie das im Ernst?
Ja, wofür soll ich Buße tun? Sie haben eine schwere Sünde auf sich geladen.
Habe ich das wirklich? Die Welt ist von Grund auf schlecht, wieso habe ausgerechnet ich dann eine schwere Sünde auf mich geladen? In der Bibel steht doch, du sollst nicht töten. Haben Sie nicht gegen dieses Gebot verstoßen?
Jeden Tag werden Tausende von Menschen getötet. Jeden Tag krepieren Tausende von Kindern, weil sie verhungern. Ich habe geholfen, ein wenig Leid zu lindern. Gehen Sie einen Tag in die Favelas von Rio oder in eine gottverlassene Stadt in der Wüste, wo die Kleinen am Verhungern sind und keiner da ist, der ihr Leid lindert. Ich habe das getan, weil ich es als meine Pflicht ansah, zu helfen. Ich habe keine Gegenleistung dafür erwartet. Sie können die Hunderte von Briefen gerne sehen, die ich als Dank erhalten habe. Wissen Sie, der größte Dank, den ich mir vorstellen kann, ist der Dank in den Augen eines Kindes, wenn es weiß, daß da jemand ist, der ihm hilft. Aber das können Sie nicht nachvollziehen, weil Sie sich nie darüber Gedanken gemacht haben! Sie sitzen lieber hier und versuchen, mein Innerstes nach außen zu kehren, um eines Tages ein paar schlaue Sätze in einem Fachbuch über geistesgestörte Mörder wiederzufinden. Ihr seid allesamt Idioten, erbärmliche, nichtssagende Idioten! Fangt endlich an, etwas Sinnvolles zu tun! Das hier ist nicht sinnvoll. Was wollt ihr eigentlich? Ich gehe doch eh für den Rest meines Lebens ins Gefängnis, also, warum die Mühe? Gebt das Geld, das das alles hier kostet, lieber den Armen, dort ist es besser aufgehoben. Sind Sie sich einer Sünde bewußt? Weiß nicht.
Vorhin sagten Sie aber, daß Sie hoffen, Gott vergibt Ihnen? Wie paßt das zusammen? Kann mich nicht erinnern, das gesagt zu haben. Möchten Sie, daß Ihre Mutter Sie besucht? Teil the bitch to stay where she is!
Hier schaltete Schneider das Videogerät ab, sagte, während er zum Fenster ging und die Jalousie hochzog: »Ich glaube, das war ein eindrucksvolles Bild, das Sie von Tomlin erhalten haben. Hier unser Fazit. Tomlin ist krank, auch wenn wir zu dem Schluß gekommen sind, daß er nicht vollkommen schuldunfähig ist. Er war sich zeitweise durchaus seiner Taten bewußt und doch unfähig, sie nicht zu begehen. Auch wie er sich während unserer Be fragungen verhalten hat, zeigt, daß er sich in bestimmten Momenten außerhalb der Norm bewegt. Wir haben übrigens zusätzliches Material aus den Staaten über ihn. Hier in dieser Akte steht alles. Lassen Sie mich der Einfachheit halber einfach ein paar kurze Details aus seiner Vorgeschichte vorlesen. Der Vater verließ ihn und

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