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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Patanec.
»Ja, genau das. Ich weiß, wie getrocknetes Sperma sich anfühlt. Er ist nicht impotent. Ich vermute viel eher, daß er ein Verhältnis hat, deswegen ist er auch so oft weg, kommt spätnachts heim, aber nicht aus der Klinik.« »Warum sprechen Sie ihn nicht einfach darauf an?« »Ich habe es getan. Er hat nur gelacht und gemeint, ich hätte Hirngespinste. Ich habe nicht weiter gebohrt, weil...« »Weil Sie Angst vor der Wahrheit haben?« »Gibt es jemanden, der keine Angst davor hat? Mein bisheriges Leben war kein Zuckerschlecken, ich will mir wenigstens vormachen, daß es jetzt besser ist. Ja, ich habe Angst. Angst vor einer Konfrontation. Er schaut mich in letzter Zeit manchmal so seltsam an, wenn ich ihn anspreche, er ist meist schroff und kurz angebunden. Ich sage Ihnen, das ist nicht mehr der Daniel früherer Tage.« »Möchten Sie, daß ich mit ihm spreche?« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, um Himmels willen, nein! Er bringt mich um, wenn er erfährt, daß ich über diese Dinge mit Ihnen gesprochen habe. Ich bin wirklich nur hier, um diesen Ballast einmal loszuwerden... Zu allem Überfluß kam gestern auch noch ein Telegramm. Meine Schwiegermutter hat sich angemeldet, sie wird uns besuchen kommen. Irgendwie graut mir davor. Ich mag die Frau nicht. Aber Daniel vergöttert sie. Und ich bin in der Zeit abgemeldet. Dann heißt es nur, Mutter hier und Mutter da! Und ich weiß, daß sie mich genausowenig ausstehen kann wie ich sie, auch wenn sie es nie direkt zeigt. Sie ist eine unangenehme Frau, hat immer etwas zu kritisieren, ich kann ihr nichts recht machen.« Pause, ein Seufzer.
»Ganz anders ist das Verhältnis zwischen ihr und Daniel. Als ich ihm gestern das Telegramm unter die Nase hielt, hat er gelacht, mich sogar einmal in den Arm genommen, dann hat er das Haus verlassen und ist spät in der Nacht angesäuselt heimgekommen. Es ist mir ein Rätsel, weshalb er getrunken hat, das ist so gar nicht seine Art.« Sie hielt inne, schaute auf ihre Hände mit den zartrosa lackierten Nägeln. »Ich hoffe und bete, sie bleibt nicht zu lange. Und ich hoffe und bete, daß Daniel mir irgendwann wieder zeigt, daß er mich liebt. Wissen Sie, daß ich inzwischen manchmal mit dem Gedanken spiele, mich scheiden zu lassen? Ich weiß, es klingt absurd, aber zumindest in Gedanken kann ich mir oft nicht anders helfen. Es ist wie ein letzter Ausweg, wenn alles nicht hilft, dann wenigstens eine Trennung. Und vielleicht ein neuer, ein besserer Anfang. Auch wenn ich Daniel immer noch... Ich weiß, ich mache mir etwas vor.«
»Lieben Sie ihn wirklich noch? Oder ist dieses Gefühl eher eine Gewohnheit geworden? Manchmal gibt man vor, jemanden noch zu lieben, doch nur, weil man vielleicht alleine nicht zurechtkommen würde.« »Ich denke schon, daß ich ihn liebe. Aber ich fürchte, im Augenblick ist dies wohl eine eher sehr einseitige Angelegenheit.« Jetzt sah sie Patanec geradeheraus an. »Dr. Patanec, würden Sie mir einen Gefallen tun, würden Sie mir bitte die Karten legen?«
Patanec war höchst überrascht über diesen Sinneswandel von Susanne Tomlin und holte tief Luft. »Das ist ein Wunsch, den ich ehrlich gesagt von Ihnen am allerwenigsten erwartet habe. Aber natürlich tue ich das gerne. Wollen Sie alles hören?« »Was meinen Sie damit?«
»Nun, alles bedeutet Geld, Familie, Freunde, Schwierigkeiten, Krankheit, Tod...« »Nein, kein Tod. Ich will nichts über ihn wissen.« »Gut, dann lassen wir ihn außen vor.« Patanec holte die Karten hervor und legte sie auf den Tisch. Er bat Susanne, zu mischen und drei Päckchen nebeneinander zu legen. Zitternde Hände, ängstlicher Blick. Noch bevor Patanec anfangen konnte, stand sie plötzlich auf, schüttelte den Kopf und sagte energisch: »Nein, ich will es doch nicht. Nein, bitte, ich verkrafte das heute nicht. Seien Sie bitte nicht böse, und es tut mir leid, Ihre Zeit vergeudet zu haben. Und vergessen Sie, was ich gesagt habe. Es tut mir leid, es tut mir wirklich leid.« Patanec kam hinter seinem Schreibtisch hervor und stellte sich direkt vor Susanne Tomlin, faßte sie vorsichtig bei den Schultern, zog sie zu sich heran und umarmte sie zärtlich. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und weinte leise. Nach einer Minute löste sie sich, wischte die Tränen ab, wieder dieser entschuldigende Blick, diese Verlegenheit, sie machte kehrt und ging. Blieb plötzlich wie festgenagelt und kerzengerade in der Tür stehen, vollkommen regungslos, nur ein paar Haare

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