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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Tür weg, versteckte mich hinter der großen Couch. Ich zitterte am ganzen Körper, obwohl es so heiß war und der Schweiß mir in Bächen über die Haut lief. Ich wollte schreien, Hilfe holen, aber ich war wie gelähmt. Ein paar Minuten später ging die Tür auf, und Muriel kam heraus, für den Bruchteil einer Sekunde sah ich ihr Gesicht, es war, als hätte sie den Teufel persönlich gesehen. Er schloß die Tür und blieb in der Bibliothek, ich hörte, wie die Männer sich unterhielten und lachten. Ich wartete, bis Muriel an mir vorbei war, dann lief ich auf Zehenspitzen hinter ihr her. Ich holte sie ein, bevor sie in ihrem Zimmer verschwinden konnte. Sie erschrak, als ich sie berührte, zog mich dann schnell in ihr Zimmer und schloß die Tür ab. Wortlos umarmte sie mich, sie weinte, wie ich sie noch nie zuvor hatte weinen sehen. Ich fragte sie, was los sei, und sie antwortete, sie könne mir das unmöglich sagen. Doch ich blieb stur, sagte, ich würde das 129 Zimmer nicht verlassen, wenn sie mir nicht erzählte, was geschehen war. Sie verlangte von mir, daß dies unbedingt ein ganz großes Geheimnis bleiben müßte, sie zwang mich zu schwören, niemand, nicht einmal Mutter gegenüber die geringste Andeutung zu machen, sonst würde er uns alle umbringen.« Sie zog an der Zigarette, schaute zu Boden, fuhr fort: »Sie wollen sicher wissen, was geschehen war?« Sie schürzte die Lippen, schüttelte den Kopf, senkte den Blick. »Muriel hatte zufällig ein Telefongespräch mitbekommen und dabei herausgefunden, daß Armando, so hieß der Mann, bis zum Hals in dunkle Machenschaften verwickelt war, was genau, kann ich nicht sagen, aber Mädchenhandel spielte eine wesentliche Rolle. Selbst vor Mord schien er nicht zurückzuschrecken, auch wenn Muriel das nicht beweisen konnte. Er muß ein ganz hohes Tier im organisierten Verbrechen gewesen sein, der meine Mutter und uns brauchte, um seine Fassade bewahren zu können. Und was kann schon eine bessere Fassade sein, als eine angesehene Familie? Muriel hatte ihn von Anfang an nicht gemocht und immer gesagt, daß mit ihm etwas nicht stimmte. Ich war noch zu jung, um das beurteilen zu können. Aber Muriel blieb stur. Er wollte unbedingt, daß wir ihn als Vater anerkannten, aber Muriel verweigerte sich jedem seiner Liebesbeweise. Er muß dahintergekommen sein oder zumindest gespürt haben, daß Muriel mehr wußte, als ihm recht sein konnte, also setzte er sie unter Druck, bevor sie mit ihrem Wissen Unheil anrichten konnte. In dieser Nacht hat er sie, als alle schliefen, in die Bibliothek geholt, wo eben diese zwei Männer warteten. Diese Männer haben Muriel vergewaltigt und gedroht, wenn sie auch nur einer Menschenseele etwas verraten würde, würde es uns anderen genauso ergehen wie ihr, außerdem würden sie uns umbringen. In den folgenden Wochen wurde Muriel immer in sich gekehrter, sie weinte sehr, sehr viel. Sie sprach nicht mehr mit mir, sie war nur noch auf ihrem Zimmer und starrte einfach vor sich hin. Ich glaube, sie haben sie abgeholt, als ich in der Schule war. Lange Zeit später erfuhr ich, daß man sie in die geschlossene Abteilung einer privaten Nervenklinik eingewiesen hatte. Kaum ein halbes Jahr später ist sie dort gestorben. Es heißt, sie hätte sich die Pulsadern aufgeschnitten, aber wie um alles in der Welt sollte sie in einer geschlossenen Abteilung an so etwas wie Rasierklingen gekommen sein? Für mich ist das alles heute noch sehr mysteriös. Aber der Arzt, der sie in die Klinik eingewiesen hatte, war, wie ich später erfuhr, ein Freund von Armando. Man braucht nicht viel Verstand, um zu merken, was für ein abgekartetes Spiel das war. Muriel war für ihn wohl zu einem zu großen Sicherheitsrisiko geworden. Ich wußte, daß er dahintersteckte, und er schien zu ahnen, daß ich es wußte. Er beobachtete mich fortan mit Argusaugen, machte ab und zu den Versuch, etwas aus mir herauszukriegen, aber ich hielt meinen Mund, ich wollte nicht, daß er auch noch mir und meiner Mutter etwas antat. Es war schon schlimm genug, daß der einzige Mensch, den ich wirklich geliebt hatte, jetzt nicht mehr da war.«
Patanec drehte sich um, öffnete das Fenster, schaute hinaus. Er war betroffen und fragte sich, warum sie so viele Jahre mit dieser Belastung gelebt hatte, ohne auch nur einer Person ein Sterbenswörtchen zu verraten. Er sagte nach einer Weile: »Haben Sie noch Kontakt zu ihm?« »Nein, ein halbes Jahr darauf war er verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Wir

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