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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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bewegten sich im leichten Luftzug, als überlegte sie, dann drehte sie sich um, kam zurück, setzte sich auf den Couchrand, sah Patanec mit großen Augen an und sagte: »Hätten Sie bitte eine Zigarette für mich?«
Patanec hielt ihr die Schachtel hin und gab ihr Feuer. Sie inhalierte, stieß den Rauch durch Mund und Nase wieder aus. Sie nahm weitere drei Züge und sagte: »Ich werde Ihnen jetzt eine Geschichte erzählen. Ich habe schon so viel gesagt, daß es darauf auch nicht mehr ankommt.« Patanec war gespannt, stellte sich ans Fenster. »Ich war neun Jahre und acht Monate, als meine Mutter erneut heiratete. Mein Vater starb, als ich sechs war, ich kann mich noch gut an ihn erinnern. Er war groß und dunkelhaarig und die Güte in Person. Er starb an einem Herzschlag, obwohl er noch nicht einmal vierzig war. Er hat zuviel gearbeitet, das war sein Verderben. Auf jeden Fall hat es meine Mutter nicht lange allein ausgehalten. Sie trauerte nicht einmal ein Vierteljahr, da hatte sie schon ihren ersten Freund. Und damit meine Schwester Muriel und ich ihr nicht im Weg waren, steckte sie uns in ein Internat...« Patanec unterbrach sie. »Sie haben eine Schwester?« »Ich komme noch dazu. Muriel und ich lernten ihn kennen, als sie heirateten. Er sorgte auch dafür, daß wir aus dem Internat rauskamen, ich war damals zehn. Er machte uns Geschenke, ging mit uns spazieren, er tat alles, um uns den Vater zu ersetzen. Er war wirklich rührend um uns besorgt! Zu rührend, wie ich später begreifen sollte, aber ich war noch zu jung, um zu verstehen, was dahintersteckte, aber Muriel, die fünf Jahre älter war als ich, begann sich ihre Gedanken zu machen. Ab und zu unter hielten wir uns über ihn, und Muriel machte ein paarmal Andeutungen, daß irgend etwas mit ihm nicht stimmen könne, aber sie konnte nicht genau sagen, was es war. Sie hatte nur eine Ahnung.« Sie holte tief Luft, schluckte schwer, nahm einen langen Zug an der Zigarette und blies den Rauch Richtung Decke. Sie wandte ihren Kopf, ihr Blick schien durch Patanec hindurchzugehen. Ihre großen Augen vereinigten alle Trauer dieser Welt in sich, und mit einem mal war sie weit, weit weg. »Es war Sommer, ein heißer, langer Sommer. Ähnlich wie dieser. Mutter und er waren seit knapp drei Jahren verheiratet, es ging alles seinen gewohnten Gang. Ich war elf, Muriel sechzehn. Seit einigen Tagen schon stand sie unter ständiger Hochspannung, sie war nervös und hektisch, saß abends lange wie starr auf ihrem Bett, aber sie wollte mir nicht verraten, was mit ihr los war. Mutter war für ein paar Tage weggefahren, wir waren allein mit ihm. In der einen Nacht konnte ich wegen der Hitze nicht einschlafen, dazu machte ich mir Gedanken über Muriel, die ich sehr, sehr liebte, sie war eigentlich immer die einzige, zu der ich kommen konnte, wenn mir etwas fehlte. Es hört sich vielleicht aberwitzig an, aber sie war fast so etwas wie eine Mutter für mich.« Sie hielt inne, gedankenverloren, stand auf und stellte sich neben Patanec ans Fenster. »Ich hatte wegen der Hitze Durst, stand auf, um mir aus der Küche ein Glas Limo zu holen. Es war mitten in der Nacht, alle schliefen - dachte ich zumindest. Aber hinter der Tür zur Bibliothek sah ich Licht und hörte leise Stimmen. Ich ging näher heran, ich war natürlich neugierig, mein Gott, ich hätte im Traum nicht für möglich gehalten, was sich dort abspielte!« Susanne Tomlin schüttelte den Kopf, drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken ans Fenster, atmete hastig, wie unter Schmerzen, nahm einen Zug 129 an der Zigarette, sie war fast bis auf den Filter heruntergebrannt. Sie ging kurz zum Schreibtisch, drückte die Zigarette aus, zündete sich gleich eine neue an, sagte entschuldigend: »Ich weiß auch nicht, wie das kommt, aber seit ein paar Tagen rauche ich. Dabei schmeckt es mir gar nicht. Na ja, ich höre auch wieder auf damit.« Sie stellte sich wieder zu Patanec, der ihr schweigend zuhörte. »Ich hörte Stimmen, nicht nur seine, auch die von anderen Männern ... und die von Muriel. Muriel hatte Angst, ich spürte das sofort, sie schrie ein paarmal kurz auf, aber wahrscheinlich haben sie ihr den Mund zugehalten. Seit damals weiß ich aber, was Todesangst ist. Seine Stimme klang wie das Zischen einer Schlange. Er sagte zu ihr: >Wenn du auch nur einen Mucks von dir gibst, wirst nicht nur du dran glauben, ich werde euch alle kaltmachen! Ich spaße nicht, und meine Freunde tun das erst recht nicht! < Ich ging schnell von der

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