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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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haben nie wieder ein Lebenszeichen von ihm erhalten. Vielleicht ist dieser Misthund irgendwo verreckt! Wenn ich jemals einem die Pest an den Hals gewünscht habe, dann ihm.« »Und Sie haben dieses Wissen und diese Belastung so lange mit sich rumgeschleppt und nie ein Sterbenswörtchen darüber verlauten lassen?« »Dumm, nicht?« »Und Ihre Mutter wußte von alldem nichts? Sie hatte keine Ahnung?« »Ich weiß es nicht! Und wenn, dann hätte es wahrscheinlich auch nichts geändert, sie war ihm nämlich hörig, absolut hörig. Und für diese Hörigkeit hätte sie wohl so ziemlich alles in Kauf genommen, selbst einen Mann, der ein Gangster war. Meine Mutter ist eine sexuell sehr aktive Frau, selbst heute noch, und wenn sie mit irgend etwas zu ködern ist, dann mit einem potenten Mann. Sie hat viele potente Männer gekannt und gehabt.« Das Vibrieren in Susannes Stimme ließ Patanec hellhörig werden, und als Susanne nicht weitersprach, fragte er: »Wie meinen Sie das?« »Ich habe diesen Armando mit seinem Zahnpastalächeln und diesem italienischen Machogehabe gehaßt, ohne Zweifel, aber einen ähnlichen Haß empfinde ich auch für meine Mutter...«
»Moment, Sie leben doch aber Haus an Haus mit ihr, Sie sehen sich regelmäßig, ich hatte nie den Eindruck, daß irgend etwas zwischen Ihnen stehen könnte...« »Ich verstehe es selber nicht, wirklich. Ich bin zu schwach, mich gegen sie zu wehren. Ich würde es nie fertigbringen, sie zu fragen, ob sie davon wußte oder nicht.« Dann, auf einmal sehr leise, ihre Stimme schien von unendlich weit herzukommen, und da war wieder diese tiefe Enttäuschung und Bitterkeit, die sich in ihre Seele gegraben und tiefe Narben hinterlassen hatten: »Ich möchte sie aber zu gerne einmal fragen, warum sie jeden meiner Freunde persönlich getestet hat! Verstehen Sie, meine Mutter hat mit jedem meiner Freunde geschlafen. Sie hat mir immer gezeigt, wie stark und mächtig sie ist und daß ich im Grunde nichts gegen sie bin. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es mit Daniel und mir nicht mehr klappt. Vielleicht ist das alles, was ich vorhin gesagt habe, gar nicht Daniels, sondern meine Schuld. Meine verfluchte Vergangenheit läßt mich nicht los, sie läßt mich einfach nicht los! Es ist so entwürdigend, so erniedrigend, darüber zu sprechen. Vielleicht bereue ich morgen schon wieder, mit Ihnen gesprochen zu haben. Aber das soll auch egal sein.« Sie stoppte und nahm sich aus der Schachtel, die Patanec auf den kleinen Beistelltisch gelegt hatte, eine weitere Zigarette. Eine Pause entstand, die schweigend verstrich. Schließlich fragte Patanec: »Weiß Ihr Mann davon?« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Wovon? Von Armando? Muriel?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Sie sind der erste und einzige Mensch, dem ich es erzähle. Und ich erzähle es Ihnen auch nur, weil ich nicht wüßte, mit wem ich es sonst teilen sollte, und weil ich Ihnen einfach vertraue. Ich habe das Gefühl, an einem Endpunkt angekommen zu sein. Mein ganzes Leben war eine einzige Lüge. Ich habe mir und vor allem anderen etwas vorgemacht, ich habe immer so getan, als sei ich mit meinem Leben zufrieden, als steckte ich Niederlagen ohne Murren einfach weg. Aber das stimmt nicht, ich bin nur ein Mensch, das wird mir immer klarer. Ich verfluche innerlich meine Mutter, doch wenn ich ihr gegenüberstehe, traue ich mich nicht einmal, ihr ein böses Wort zu sagen. Wenn sie gewußt hat, was für ein mieses Schwein dieser Armando war, dann hätte sie Muriel retten können. Ich würde sie gerne einmal danach fragen, traue mich aber nicht. Ich traue mich nicht aufzumucken, ich habe früh gelernt, alles in mich hineinzufressen. Irgendwann kam die Angst, irgendwann kamen körperliche Probleme dazu, die aber alle etwas mit dieser Angst zu tun haben, und irgendwann bin ich bei Ihnen gelandet. Irgendwann ist mir zum ersten Mal der Gedanke durch den Kopf geschossen, wie es wohl sein mag, wenn man tot ist. Ob es wirklich ein Leben danach gibt, ein friedliches, sorgenfreies Leben ohne Demütigungen, ohne Schmerzen, ohne Angst. Ich wünschte, ich wüßte es...«
»Und dann? Wem wäre damit gedient? Ihnen, Ihrem Mann, Ihren Kindern? Es wäre nichts als eine Flucht. Aber Sie sind jetzt schon so viele Jahre geflohen, haben so viel in sich hineingefressen, haben so lange geschwiegen! Jetzt aber haben Sie zum ersten Mal den richtigen Schritt gewählt, Sie haben sich jemandem anvertraut. Wie gesagt, bis jetzt sind Sie geflohen, aber ab heute, ab

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