Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
Vom Netzwerk:
übrigens mitgeteilt, dass Ihr Sohn schon einmal einen Krampf hatte und merkwürdig war, wie sie sagten. Professor Lascheter hat ihm deshalb alternative Medikamente gegeben, die   … «
    »Warum durfte er mitgehen auf diese Bergwanderung, wenn es vorher schon einen Anfall gab?«, fragte Sikorski.
    »Wir sollten das in Ruhe besprechen und es erst einmal sacken lassen«, schlug Elke Bahr vor. »Bis dahin dürften wir genauere Informationen haben, um Ihnen konkretere Antworten geben zu können.«
     
    »Wieso hast du die Einwilligung angesprochen?«, zischte Hans-Henrik Fogh.
    »Weil sie wissen wollten, was sie unterschreiben. Wir können froh sein, dass sie nicht angefangen haben, jedes Blatt zu lesen.«
    »Elke – lass
mich
so was künftig machen.«
    »Ich habe mein Ziel erreicht«, sagte sie. »Sie haben die Entlastungserklärung unterschrieben.«
    »Das ist aber erst der Anfang.«
    »Das weiß ich«, sagte sie, schaltete den Beamer aus und nahm die Aktentasche.

11
    J8 – Sprechstunde ab 11   Uhr.
    Ich bin eine Viertelstunde zu früh, dachte Melina.
    Wäre sie eine Bushaltestelle weitergefahren, hätte sie vor den dunkelgrünen Marmorstelen gestanden, die dicht an dicht einen Zaun um das
Institut Zucker
bildeten. Die Strecke war sie oft genug gefahren. Eine Haltestelle davor – das war das Nachbargelände des Instituts, das PALAU. Die Entfernung zwischen den Haupteingängen des Instituts und des PALAU war so groß, dass viele Jugendliche lieber den Bus nahmen als zu laufen. Zumal dann, wenn sie wenig Zeit hatten, um an Testreihen teilzunehmen.
    Zeit vertrödeln, obwohl ich es sofort wissen will – ätzend.
    Sie schlenderte am Informationshäuschen vorbei. Ein tuntiger Mann und eine tantige Frau stiegen in einen winzigen Eisenbahnwagen ein.
    Adipös,
würde ich bei beiden ankreuzen. Vielleicht Mutter und Sohn?
    Die beiden waren die einzigen Fahrgäste des aus drei Waggons bestehenden Zwergzuges. Er war nur so breit, dass zwei Personen nebeneinander Platz hatten. Die beiden setzten sich lieber hintereinander. Melina warf einen Blick auf die Haltestellenübersicht. Sie wusste zwar, in welchem Bereich des Geländes die Jugendabteilung war, aber wo genau das Verwaltungsgebäude J8 war, hätte sie erst nach viel Suchen sagen können. Praktischerweise gab es eine Haltestelle mit dem Namen
J8.
    Wenn man mal Zeit hat   … Der Zug setzte sich ohne Umschweifemit einem Klingeln in Bewegung. Die ersten Stationen waren
Krankenhaus, Ärztehaus
und
Gatower See
. Der See war genauso alt wie das Krankenhaus. Ende der 1980er Jahre. Manches hatte noch den postmodernen Flair mit Dächern in Rosa und Türkis. Das Krankenhaus war für die einfacheren Fälle gedacht, aber es gab eine Geburtsstation und Operationsräume für Notfälle. Am Ärztehaus ließen sich zwei Ärztinnen durch das kleine Nadelwäldchen mitnehmen und sprangen am See wieder ab.
    »Enten!«, stellte die adipöse Mutter fest.
    »Das ist der Ententeich«, wusste ihr Sohn.
    »Soll ich nachher die Hühnchenbrust braten?«, fragte sie.
    »Warum nicht.«
    »Na, ich frage dich.«
    »Jaa.«
    »Kann man
gar nichts
mehr fragen?«
    Eine Ente putzte ihr Gefieder.
    Der See mündete in einen Kanal, und dieser entschloss sich, unter der Aula hindurchzufließen und dahinter vor dem größten Gebäude, dem Hotel, wieder ans Licht zu kommen und sich zu einem repräsentativen Becken zu weiten, in dem ein Schwan kontrollierte, ob von einer schwimmenden Coladose Gefahr ausging.
    Der Zug kündigte mit einem Pfiff seinen Eintritt in den Dschungel an. Zwischen den Technikgebäuden und den Reitställen hatten die Planer einen Mischwald angelegt. Wahrscheinlich kamen die Planer aus Spanien oder Italien, und dies hier war Brandenburger Zuckersand. So hatten sich viele Bäume nicht gehalten. Immerhin war es ein dichtgrüner, tatsächlich teilweise verwildert wirkender Wald geworden. Melina hatte aber die Hypothese aufgestellt, dass dieumgestürzten Bäume gezielt drapiert worden waren – sie wirkten allzu malerisch.
    Mitten im Wald begann die Frau wieder zu reden. »Wenn man sich vorstellt, dass die schließen. Was wird dann mit all dem hier?«
    »Die Bäume wachsen weiter«, sagte der Mann.
    Die Alte stöhnte. »All die Arbeitsplätze, die alten Leute, wer kümmert sich danach um sie?«
    »Irgend jemand wird das übernehmen und eine Menge Geld damit machen.«
    »Du hast auf alles eine Antwort, wie, Horst?«
    Horst schwieg.
    »Ein Specht!«, befand die Mutter.
    Der Zug stieß ins Licht,

Weitere Kostenlose Bücher