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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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Befragungen ohne Kamera.«
    »Das war kein Testreihen-Interview«, sagte Melina. »Wie Sie selbst sagen: Dafür wäre ich gar nicht zuständig gewesen.«
    »Der Junge sagt aber, Sie hätten ihn regulär interviewt, nach Erinnerungen gefragt. Und Sie haben ihm gedroht. Sie würden seine Familie informieren, wenn seine Ergebnisse schlecht sind oder er sich weigert.«
    »Hat er von diesen Erinnerungen gesprochen?«, fragte sie.
    »Das ist jetzt völlig unerheblich. Es geht um Ihre Methode, die gegen die Würde verstößt, auch wenn es nur ein jugendlicher Türke ist.«
    »Was soll das denn heißen?«, fragte Melina und war dankbar für den Ablenkungspunkt.
    Er hat nichts von Fogh erzählt. Bülent wird weder gegenüber seiner Familie noch gegenüber dem Institut berichtet haben, wie Fogh ihn ins Gebet genommen hat, den Namen Lenas im Zusammenhang mit der Reise in die Schweiz nicht zu erwähnen. Es ist für ihn leichter, alles auf mich zu schieben. Wenn ich Fogh erwähne, ist es mein Problem, nicht mehr seins.
    »Haben Sie noch persönliche Gegenstände bei uns im Institut?«
    »Ich   … Ja. Ein paar Sachen.«
    »Holen Sie die so rasch wie möglich ab. Kommen Sie bei mir vorbei, Sie müssen noch etwas unterschreiben und die Keycard zurückgeben. Ich werde Ihre Bezahlung bis zumMonatsende veranlassen, auch wenn Sie in dieser Zeit keine Leistung für uns erbringen. Nehmen Sie das als Kulanz des
Instituts Professor Zucker,
nicht als eine Verpflichtung für irgendetwas.«
    »Sie geben mir keine Gelegenheit, mich zu verteidigen.«
    »Wegen einer studentischen Hilfskraft veranstalte ich kein Hearing. Wir haben ein Problem mit Ihnen, und das können wir uns nicht leisten. Sie haben sicherlich Gelegenheit, anderswo zu jobben.«
    »Ich habe unter der Leitung erst von Frau Doktor Schurz und dann von Prof.   Kraniotakes gearbeitet. Hat der Professor meine Kündigung gefordert?«
    Jonas Somber stöhnte. »Sie haben Ihren Vertrag nicht mit irgendeinem Mitarbeiter oder mit einem Lehrstuhl, sondern mit dem Institut. Darum entscheidet das Institut. Alles klar?«
    Das Institut verschweigt Lenas Teilnahme an einer Jugendreise. Oder Fogh tut es, in Eigenregie. Sie haben also was verschwiegen! Kann ich mich damit aus der Affäre ziehen? Lieber nicht.
    »In welchem Büro finde ich Sie, Herr Somber?«
    »2341.
Direktion
steht an der Tür. Wenn ich nicht da bin, dann wenden sie sich an meine Sekretärin, die weiß Bescheid und erledigt das Formelle.«
    »Ich habe Ihren Namen noch nie gehört. Ist das der Bereich von Dr.   Umbreit?«
    Der Mann atmete tief ein – genervt oder beleidigt, das konnte Melina nicht beurteilen. »Umbreit ist pensioniert. Schon lange.«
    »Schon lange?«
    »Mindestens seit zwei Wochen oder so. – War’s das?«
     
    Wie bezahle ich meine Wohnung?
    Sie haben eine neue Mail
.
     
    a. [email protected]
    Sehr geehrte Frau von Lüttich,
    am heutigen Vormittag erkundigten Sie sich über Teilbereiche
von Palau –––, und zwar beim Projekt »Jugendgesellschaft
wohnt«. Zu diesem Zweck besuchten Sie eine Lebensgemeinschaftgruppe
auf unserem Gelände in Berlin-Gatow.
Wir danken Ihnen für Ihr Interesse, von welchem uns das
Pädagogenteam umgehend unterrichtete. Allerdings bitten
wir, Besuche dieser Art künftig anzumelden. Private Kontakte
sind grundsätzlich möglich, sie sind aber v o r a b mit den
Erziehern abzustimmen. Hierzu können Sie unser 4 8-Stunden -Anmeldeformular
verwenden, das sie auf unserer Website
finden.
    Ihr Erscheinen heute Morgen war nicht angekündigt. Zudem
bezweifeln wir den rein privaten Charakter Ihres Erscheinens. Erkundigungen, die sich auf Inhalte, Strukturen
und Organisationsfragen beziehen, bitte ich künftig ohne
Ausnahme direkt an mich zu richten. Dies sind keine Themenbereiche, zu denen die ohnehin sozialpsychologisch herausgeforderten
Jugendlichen etwas beisteuern können und
sollten. Eingriffe von außen können im Extremfall zu seelischen
Störungen bei den Schutzbefohlenen führen.
    Befremdlich scheint uns zudem die direkte Ansprache
einiger Mitglieder der Gruppe durch Sie. Wir bitten auch
hierbei, auf den besonderen Bedarf an Ausgewogenheit in
den Lebensgemeinschaften unserer Institution zu achten.
Das Pädagogenteam wird Ihnen bei der Vorbereitung künftiger
Termine beratend behilflich sein. Ungern sähen wir uns
gezwungen, im Falle eines vergleichbaren Vorfalls entsprechend
den Regularien unserer Satzung ein Hausverbot zu
erteilen.
    Hochachtungsvoll
    Müller
    P.  

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