Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
verändern die Verschaltungseigenschaften in unserem Gehirn, sie schaffen mehr Speicherplatz und bilden Ankerplätze für neues Wissen. Elaborationen hinterlassen in diesem Kontext mehr Verankerungspunkte und schaffen so bessere Voraussetzungen, um etwas zu erinnern!
Aber nicht immer ist bewusstes Nachdenken besser: Begegnet uns der richtige Abrufreiz, sind oberflächlich kodierte Erinnerungen besser als elaborierte Erinnerungen – unser Wiedererkennungsgedächtnis funktioniert besser, wenn wir nicht nachdenken. Müssen wir dagegen ohne Hinweisreize auf die richtige Lösung kommen, d. h. unser aktives Gedächtnis bemühen, ist es besser, wenn die Erinnerung elaboriert vorgenommen wurde.
Lernen! Lernen! Lernen!
Warum ist Lernen für das Gehirn eine Stimulanz gegen das Altern? Und warum verfällt die rechte Hemisphäre mit zunehmendem Alter rascher als die linke Gehirnhälfte? Oder anders herum gefragt, was schützt eigentlich die linke Hemisphäre vor dem Verfall und macht sie zu einer Art »Immergrün« unter den Jahreszeiten des Gehirns?
Generell gilt: Gehirnregionen, die viel benutzt werden, wachsen. Dies ist imposant belegt an Londoner Taxifahrern, bei denen die Größe des Hippocampus proportional zu den Berufsjahren angewachsen war! Wachstum von Nervenzellen wird durch Gebrauch angeregt, und die Auswirkungen einer lebhaften kognitiven Stimulation können für viele Jahre die negativen Effekte des Alterns außer Kraft setzen. Und dies gilt nicht nur für den Hippocampus, sondern auch für Stirnlappenregionen und für die gesamte linke Hemisphäre, weil sie, während wir altern, weiterhin durch kognitive Aktivitäten trainiert und gestärkt wird. Da die linke Hemisphäre vor allem bei der Mustererkennung aktiv ist und neues Wissen mit altem assoziiert, ist sie vergleichsweise aktiver als die rechte Hemisphäre, die vor allem dafür zuständig ist, komplett neue Konzepte zu lernen, was im Alter allerdings weniger häufig erforderlich ist. Das erklärt auch, warum die linke Hemisphäre besser vor dem Altern geschützt ist als die rechte, und es zeigt, was Training bewirkt. Dies sollte Sie ermuntern, im Alter auch die rechte Hemisphäre zu trainieren. Lernen Sie etwas Neues – vielleicht etwas, was Sie immer schon mal machen wollten, aber nie geschafft haben: den Salsa-Tanzkurs, den philosophischen Diskussionsclub, vielleicht sogar das Archäologiestudium.
In Laborsituationen mögen die genauen Mechanismen des kognitiven Trainings (Gehirnjogging) umstritten sein, das Leben hat aber eine Antwort parat: Wer ein geistig anspruchsvolles Leben führt, weil er z. B. einem akademischen Beruf nachgeht, in dem lebenslanges Lernen notwendig ist, oder indem er ein geistig anspruchsvolles Hobby pflegt (wie z. B. Schachspielen), hat im Alter ein besseres Gedächtnis und schneidet bei kognitiven Testaufgaben besser ab. Er halbiert darüber hinaus sein Alzheimer-Risiko – denn ein geistig reger Lebensstil verschiebt den Beginn der Alzheimer-Erkrankung – wie wir bereits gesehen haben – statistisch um sieben Jahre nach hinten (siehe Kapitel 7).
Allerdings wäre es falsch zu behaupten: Wer sich geistig genügend anstrengt, wird kein Alzheimer bekommen! So gerecht ist das Leben – vor allem vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen genetischen Ausstattung – leider nicht. Und es gilt auch nicht der Umkehrschluss: Wer mit 70 Alzheimer bekommt oder kognitiv stark abbaut, hätte sich nur mehr anstrengen müssen! Dennoch ist unser Lebensstil nicht ganz unentscheidend. Das MacArthur Project, eine groß angelegte amerikanische Studie über das Altern, in dem Menschen über viele Jahrzehnte in ihren Alterungsprozessen beobachtet und untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis: Wer ein geistig reges Leben führt, erkrankt statistisch gesehen später an Alzheimer als eine Vergleichsgruppe, und er altert kognitiv langsamer. Er bildet mehr geistige Ressourcen gegen Krankheit und Verlust. Diese und andere Studien belegten zudem, dass auch künstlerische Tätigkeiten ein exzellentes Training sein können: Malen, Musizieren, Skulpturen-Anfertigen, Theaterspielen und vieles mehr. Alles Dinge, die den Geist in seinen zahlreichen unterschiedlichen perzeptorischen und kognitiven Funktionen trainieren – sie fördern und fordern das Gehirn durch ihre Ziellosigkeit. Darüber hinaus sind solche künstlerischen Tätigkeiten verbunden mit Konzentration und erfordern immer wieder, Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen und aufmerksam
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