Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Maßnahmen, die Gehirnfunktionalität zu erhalten!
»Moderne Technik bietet ein großes Potenzial für die soziale und geistige Anregung im Alter. Kommerzielle Anbieter versprechen aber häufig das Blaue vom Himmel und werben damit, geistige Fähigkeiten im Alter durch Hirntraining zu erhalten oder zu steigern. Wissenschaftlich ist dies aber zumeist nicht bewiesen.«
Ulman Lindenberger, Psychologe
Man muss also schon einiges für sein Oberstübchen tun, wenn man seine Leistungskraft erhalten will. Und man muss wissen, welche Fähigkeiten genau man trainieren will. Denn unser Gehirn noch weiter zu stimulieren ist gar nicht so einfach, leben wir doch schon jetzt in einer extrem vielfältigen und gehirnbeanspruchenden Welt.
Aber es geht. Und dabei verändert sich lernbedingt nicht nur die Anzahl der Nervenzellen, wenn man intensiv Neues lernt, sondern die Nervenzellen werden auch stärker verzweigt und sie bilden mehr Kontaktstellen (Synapsen) untereinander aus (siehe Kapitel 4). Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Lernen von Fremdsprachen. Es verändert das Gehirn strukturell, indem es Synapsen und Dendritenbäume wachsen lässt. Wie der Gyrus angularis, ein Gebiet im Scheitellappen der Großhirnrinde, welches sich intensiv mit dem Verstehen von geschriebenen Wörtern beschäftigt und damit entscheidend am Lesen, Schreiben und auch Rechnen beteiligt ist, zeigt, steigt die Dichte der Nervenzellverbindungen in der linken Hemisphäre. Dieser enthält bei zweisprachig aufgewachsenen Menschen mehr graue Substanz, und auch die weiße Substanz ist dichter im Vergleich zu Menschen, die nur eine Muttersprache haben. Das heißt: Zweisprachler besitzen mehr Nervenzellen in diesem Lesezentrum und bauen mehr Verbindungen untereinander auf.
Fast noch spannender ist der Umstand, dass Zweisprachigkeit, die als Erwachsener erworben wurde, die gleiche Vergrößerung des Gyrus angularis nach sich zieht. Zwar gibt es noch keine Daten bildgebender Verfahren, die zeigen würden, was geschieht, wenn Senioren eine Fremdsprache erlernen, aber das Erlernen einer neuen Sprache im Alter gehört zu den intensiven Gehirntrainingsaufgaben, die das Gehirn nicht nur generell kognitiv erhalten, sondern auch seine Denk- und Merkfähigkeit massiv steigern können. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass wir in dieser späten Lernphase unser Konzentrationsvermögen und damit die Stirnlappenaktivität hinaufsetzen, da das Gehirn sehr bewusst darauf achten muss, aus welcher Sprache ein Satz oder Wort kommt.
Vergleichbare Gehirnveränderungen finden sich beim Musizieren: Bei Berufsmusikern ist die primäre Hörrinde im Schläfenlappen (der Gyrus temporalis transversus) fast doppelt so groß wie bei Nichtmusikern, und je mehr ein Berufsmusiker in den letzten zehn Jahren trainiert hat, umso größer ist das Areal. Außerdem hebt Musizieren den in Intelligenztests vermessenen IQ und steigert (aus noch unverstandenen Gründen) die emotionale Intelligenz. Wer also einmal ein Instrument gespielt hat und mit sich selbst geduldig ist, sollte durchaus den Versuch wagen, im Alter wieder danach zu greifen oder gar ein neues Instrument zu lernen.
Entscheidend ist hier, dass das Gehirn dabei nicht nur seine Fertigkeiten hinsichtlich des Musizierens oder der Fremdsprache verbessert, sondern dass diese Art von Gehirntraining so viele Gehirnaufgaben beinhaltet, dass das Gehirn generell profitiert und seine Leistungsfähigkeit auch in nicht sprachlichen Bereichen bzw. auch in nicht musischen Fertigkeiten verbessert, vor allem hinsichtlich der Konzentrationsfähigkeit und der Fähigkeit zum Multitasking. Dies unterscheidet diese beiden Tätigkeiten maßgeblich von reinen Gedächtnisübungen oder den beliebten, aber für die Leistungsfähigkeit des Gehirns irrelevanten Kreuzworträtseln.
Regeln, Tipps und Tricks
Kognitives Training ist kein Selbstzweck, es sei denn, man betreibt es als Hobby ähnlich wie Briefmarkensammeln oder Bowling. Den meisten älteren Menschen geht es bei diesen Trainingsprogrammen darum, ihr Leben besser zu meistern. Entscheidend ist also, wie nützlich und anwendbar die Methoden des Gehirnjoggings für den Alltag sind. Das Namens-, Zahlen- oder Faktengedächtnis zu stärken ist in jedem Fall sinnvoll. Mit Hilfe von Gehirnjogging und Bewegung lässt sich seine Leistungsfähigkeit erhalten, aber auch andere Methoden können genutzt werden, selbst wenn sie uralt zu sein scheinen – man erinnere sich nur an einen Ratschlag von Konfuzius:
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