Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
kann man sich fragen, gehören sie eher zu den abstrakten oder konkreten Wörtern etc. Allein durch diese Fragen widmet man dem Begriff mehr Zeit und erhöht daurch die Chance, dass er auch im Gehirn als Gedächtnisspur haften bleibt.
Wenn man einen Termin nicht vergessen will (z. B. den eigenen Glukosespiegel am nächsten Tag zu messen), so hilft es bereits, sich diesen im Geiste zu visualisieren, um ihn zu erinnern.
Entscheidend bei all diesen Methoden ist, dass man sie üben muss! Sie einmalig auszuprobieren und dann wieder fallen zu lassen ist wenig sinnvoll. Es passiert aber leider oft, da man die Technik des Memorierens ja erst einmal erlernen muss und die Übungen am Anfang etwas mehr Zeit erfordern. Auch hier will das Gedächtnis in der Aufgabe geschult werden – jede neue Lernmethode muss vom Gehirn erinnert und eingeübt werden, wer hier nicht geduldig mit sich und seinem Gehirn ist, wird scheitern. Mit anderen Worten: Je mehr man diese Übungen in den Alltag einbaut, umso schneller lassen sich die Methoden umsetzen. Der Spaß erhöht sich noch mal deutlich, wenn Lebenspartner im Alter diese Mnemotechniken gemeinsam anwenden.
Erst speichern, dann erinnern
Gerade die letzten Punkte machen nochmals deutlich, dass im Gehirn nur abgespeichert werden kann, was einmal kodiert wurde. Diese Kodierung kann man sich vorstellen wie eine besondere Form der Aufmerksamkeit, die gerade stattfindenden Ereignissen gilt und sich auf spätere Ereignisse auswirkt. So hängt es von unserem Arbeitsgedächtnis ab, ob wir uns Zahlen merken können. Und das kann man trainieren. Bei der sogenannten elaborierten Kodierung werden neue Informationen in ein vorhandenes Wissenssystem integriert, und dies fördert die Fähigkeit des Gehirns, sich an solche Fakten und Begebenheiten zu erinnern. Im normalen Lebensalltag ist Lernen ein automatisches Nebenprodukt der Gedanken, die wir uns über ein erlebtes Ereignis machen. Gedächtnisinhalte sind umso besser, je eingehender wir uns Gedanken über neue Informationen machen und sie mit schon vorhandenem Wissen verknüpfen, und zwar schon beim Abspeichern der Information. Die bloße Absicht, sich an etwas zu erinnern, reicht nicht aus. Will man sich eine bestimmte Automarke merken, genügt es nicht, sich zu sagen: »Das Wort muss ich mir merken«, sondern man muss eine elaborierte Kodierung vornehmen, indem man sich Fragen widmet wie diesen: Zu welchem Autokonzern gehört das Fahrzeug, welche Farbe hat es, welchen Treibstoff nutzt es etc.?
In unserem Lebensalltag kodieren wir Dinge nicht auf eine solch explizite Art, vielmehr findet eine natürliche Auslese statt, die im Alter aber zu unbeständig wird. Was wir bereits wissen, determiniert, was wir auswählen und kodieren. Wenn Dinge also Bedeutung für uns haben, lösen sie jene Prozesse aus, die die spätere Erinnerung erleichtern – und genau diesen Prozess kann man durch eine elaborierte Kodierung verbessern. Wenn wir also den Gedächtnisautopiloten eingeschaltet haben und nicht im Detail auf unsere Umgebung achten, bezahlen ältere Menschen das in der Regel damit, dass sie nur skizzenhafte Erinnerungen haben. Ein gutes Beispiel sind hier die Bilder auf der Vorder- und Rückseite von Münzen und Geldscheinen. Obwohl wir täglich mit ihnen umgehen, können wir uns sehr schlecht erinnern, welche Personen oder Gegenstände sie darstellen. Hier reicht eine sehr oberflächliche Kodierung aus, weil wir nur Größe und Farbe erkennen müssen, um sie im Alltag richtig zu verwenden. Gerade die elaborierte Kodierung stärkt den im Alter empfindlichen linken präfrontalen Cortex als Teil des Stirnlappens der Großhirnrinde, der diese elaborierte Kodierung vornimmt. Hippocampus und präfrontaler Cortex arbeiten hier eng zusammen. So lenkt der Hippocampus während eines neuartigen Ereignisses unsere Aufmerksamkeit auf die neuen Reize und stellt ein Netzwerk von semantischen Assoziationen und Kenntnissen zur Verfügung, um es einzuordnen und assoziativ abzuspeichern.
Wir erinnern uns also nur an das, was wir kodiert haben; und was wir kodieren, hängt davon ab, was wir an Erfahrungen gesammelt, welche Kenntnisse wir haben und welche Bedürfnisse. All das beeinflusst ganz wesentlich, was wir behalten können. Und je mehr an Erfahrungen und an Wissen wir haben, umso leichter fällt es uns, uns Neues zu merken. Lernereignisse im Gehirn bewirken eine Aufrechterhaltung bzw. sogar einen Ausbau der am Lernen beteiligten neuronalen Netze. Erinnerungen
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