Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
regelmäßige Vorsorgeuntersuchung des Gehirns ansteht! Immerhin ist es für unsere Persönlichkeit und insgesamt für unser Wohlergehen wichtiger als viele andere Organe. Und vor allem: Es kann nicht ersetzt werden. Was hält uns davon ab? Die Kosten? Die Angst vor problematischen Befunden? Oder die Unwissenheit darüber, dass auch das Organ Gehirn altert und man diesen Alterungsprozess in gewissen Grenzen beeinflussen kann?
Warum altern wir?
Bisher haben wir bestimmte Alterungsprozesse im Gehirn als gegeben vorausgesetzt, auch wenn deren genaue Betrachtung wesentlich differenzierter ausfällt, als man intuitiv denken würde. Älterwerden ist ein Prozess und kein plötzliches Ereignis, so als durchschritte man als junger Mensch in den besten Jahren eine Tür und käme auf der anderen Seite als alter Mensch heraus. Es vollzieht sich allmählich und ist unwiderruflich – warum aber altern wir überhaupt?
Genau genommen beginnt das Altern des Menschen mit seiner Geburt und schreitet dann unaufhaltsam fort bis zu seinem Tod. Der Begründer der modernen Altersforschung, der Mediziner Max Bürger, bezeichnete die nach biologischen Gesetzmäßigkeiten ablaufenden Veränderungsprozesse eines Lebewesens von der Geburt bis zum Tod als Biomorphose, als einen Prozess, der die Entwicklung des Körpers (und damit auch des Gehirns) in der Kindheit über die Pubertät bis hin zum jungen Erwachsenen, Erwachsenen, mittelalten und alten Menschen beschreibt. Den degenerativen Abschnitt des Alters, den er getrennt von der Biomorphose betrachtete, nannte er Seneszenz. Aber dieser Lebensabschnitt ist es, den wir gemeinhin vor Augen haben, wenn wir über Alter reden. Hiermit sind vor allem »die Prozesse des Alterns eines Menschen durch die Abnahme seiner Anpassungsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen gemeint«(Max Bürger). In dieser Phase laufen physiologische Mechanismen, die der Aufrechterhaltung des inneren Milieus (Homöostase) in unserem Körper im Allgemeinen und in unseren Gehirnen im Besonderen dienen, nicht mehr mit ausreichender Schnelligkeit und Präzision ab. Kurz, die Homöostase ist gestört.
Altern ist also ein »biologisches Schicksal«. Nun ist es zwar richtig, dass nach der Geburt die allgemeine Leistungsfähigkeit des Körpers im Allgemeinen und des Gehirns im Besonderen bis in das junge Erwachsenenalter stetig (manchmal auch sprunghaft) zunimmt. Aber nach Ablauf der Jugend und bereits mit Beginn des jungen Erwachsenenalters sinkt die Leistungsfähigkeit unseres Körpers in vielen Aspekten kontinuierlich wieder ab (so z. B. unser Arbeitsgedächtnis, siehe Abb. 3). Alterungsprozesse betreffen jeden Organismus, sie sind in gewisser Hinsicht quasi vorherbestimmt und unumkehrbar – allerdings verlaufen sie genetisch bedingt sehr unterschiedlich und können darüber hinaus durch den Lebensstil gestaltet werden.
Die Suche nach den Ursachen für die Alternsprozesse ist immer noch Gegenstand der Wissenschaft. Genau genommen haben die Lebenswissenschaften noch keine endgültige Antwort darauf gefunden. Es gibt aber einige Erklärungsversuche: Eine Theorie geht davon aus, dass die Summe der während des Lebens auf den Körper einwirkenden äußeren Einflüsse zu Verschleiß- und Vergiftungserscheinungen führt. Darüber hinaus vermutet man, dass die Sauerstoffradikale, wie sie in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, entstehen, eine Rolle spielen könnten. Sauerstoffradikale fallen als Nebenprodukt der Zellatmung an, die die meiste Energie in unseren Körperzellen erzeugt. Die aggressiven Radikale selbst entstehen zwar immer, aber in jungen Zellen in einem geringeren Umfang. Und in jeder Zelle arbeiten viele Enzyme daran, diese Radikale schnellstmöglich zu entsorgen. In älteren Zellen wird die Zellatmung jedoch »unsauberer«, es entstehen mehr Radikale, die weniger gut entsorgt werden können und zunächst die Eiweißmoleküle der Zellatmung selbst schädigen, so dass eine weniger universelle Energiewährung in Form von ATP – das ist eine energiereiche chemische Verbindung – produziert werden kann (Abb. 4). Darüber hinaus beeinträchtigen sie die mitochondriale DNA – ja, die Mitochondrien haben eine eigene DNA , die dafür sorgt, dass Mitochondrien ihre eigenen Eiweißmoleküle herstellen können. Sie sind das einzige Organell in tierischen Zellen, dem diese Art von Autonomie erlaubt ist. Die Radikale greifen aber auch andere Organellen und Strukturen in Zellen an, so dass durch die betroffene
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