Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
Geschirrspülbecken irgendwann praktisch kein Wasser mehr ist, sondern nur noch Abfälle, und Oma Emmi merkt es nicht mehr und wäscht trotzdem unverdrossen weiter ab. Wenn ich mir das noch länger angucke, kann ich von den Tellern und Gläsern nichts mehr essen und trinken. Jetzt lässt sie das Wasser doch ab, der Abfluss gluckst und rülpst von den ganzen Speiseresten. Ich gehe in die gute Stube zurück, wo mich Lexi schwanzwedelnd empfängt, wahrscheinlich hat er den Vorfall schon längst wieder vergessen. Ich habe nichts gegen ihn, ganz im Gegenteil. Als ich mich in den hellbraunen Fernsehsessel setze und er gleich auf meinen Schoß springt, gefällt mir das sehr, und ich streichle ihn.
«So, wenn du willst, kannst du spielen gehen, deinen Koffer packe ich schon aus. Aber spätestens um sechs bist du wieder hier.»
Während ich mir die Jacke überziehe, winselt und jault Lexi, als ob gleich etwas Entsetzliches passieren würde. Oma Emmi versucht, das Tier zu beruhigen, aber Lexi verdreht die Augen und ist kaum noch zu bändigen, er weiß ja nicht, dass ich schon bald wiederkomme. Oma Emmi hat ihren Hund einfach nicht im Griff. Unschlüssig gehe ich die Schulstraße dorfauswärts Richtung Eisenbahnbrücke, und als ich auf der Höhe vom Holzapfelhof bin, schießt vor mir ein Trecker aus der Einfahrt. Der Fahrer ist bestimmt Wilfried senior, Herr Holzapfel. Wilfried junior sitzt auf dem Seitensitzer, wird ordentlich durchgerüttelt und muss sich an der Eisenstange festklammern, damit er nicht den Halt verliert. Wenn ich nicht mit einem mächtigen Satz zur Seite gesprungen wäre, hätten die mich glatt über den Haufen gefahren! Ein Menschenleben zählt auf dem Land viel weniger. Der Trecker fährt in einem Affenzahn die Schulstraße hoch und verschwindet schließlich hinter der Eisenbahnbrücke.
«EY, Aldda.»
Manfred! Er hat mich gesehen und kommt angelaufen. Die Art, wie er geht, das sieht gar nicht gut aus.
«Was willst du auf unserem Hoff?» Er sagt nicht Hof, sondern Hoff.
«Gar nichts, ich bin doch gar nicht auf dem Hof, ich steh auf der Straße.»
«Aber du hast gespannt, ich hab’s genau gesehen.»
Er ballt die Fäuste, ich hätte nie im Leben eine Chance gegen ihn.
«Nein, echt nicht, ich schwör. Ich komm von Oma Emmi. Frau Beuger.»
Er macht ein Gesicht, als wäre er enttäuscht darüber, keinen Grund zu haben, mir eine reinzuhauen.
«Wie das denn?» Er lässt nicht locker.
«Oma Emmi ist die Schwester meiner Oma, und meine Eltern haben mich für zwei Wochen hierhergeschickt.»
Wenn ich das mit der Großtante gesagt hätte, hätte er es sicher nicht verstanden, aber so kann es ja wohl jeder Dummkopf begreifen.
«Und wieso habe ich dich noch nie gesehen hier?»
Ich erkläre ihm alles haarklein, bis sich sein Misstrauen endlich legt. Plötzlich scheint er froh darüber zu sein, Gesellschaft zu haben, und er bietet an, mit mir einen Rundgang über den Hof zu unternehmen: Holzapfels wohnen sieben Mann hoch hier, Herr und Frau Holzapfel, die beiden Söhne, die große Schwester Sonja, die zur Landfrauenschule geht und schon verlobt ist, und die zweijährige Schwester Silke, die wie Tobias Schulz mongoloid ist. Dann gibt es noch Frau Schlummbohm, Herrn Holzapfels Mutter, alle nennen sie nur Frau Schlummbohm, auch Herr Holzapfel selbst, wie Manfred hinzufügt. Vervollständigt wird die Sippe von Hummel, einer Rottweilerhündin, die, kaum dass ihr Name fällt, prompt aus dem Bauernhaus stürmt und begeistert mit ihrem Stummelschwanz wedelt. Obwohl Rottweiler normalerweise noch gefährlicher als Schäferhunde und sogar Doggen sind, ist Hummel harmlos, das hört man ja schon am Namen. Weiter geht’s: Der Holzapfelhof beherbergt alles, was die Landwirtschaft an Tieren zu bieten hat: Rinder, Schweine, Hühner und das große Steckenpferd von Herrn Holzapfel, Pferde, gleich vier an der Zahl. Dann zeigt mir Manfred noch einen Schatz: Hinter dem Schweinestall in einem Schuppen sind zwei pechschwarze Motorräder untergestellt. Die wären noch aus dem Zweiten Weltkrieg, behauptet er, mit Automatik und daher kinderleicht zu bedienen. Ehrfürchtig bestaune ich die Maschinen und stelle mir vor, wie die Soldaten im Feindeinsatz auf ihnen gesessen haben. Manfred schlägt vor, eine Runde zu drehen. Als ich frage, ob das nicht verboten ist, sagt er, dass man auf Privatgelände keinen Führerschein braucht und rumpesen kann, so viel und so lange man will. Das lass ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Manfred
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