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Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Titel: Junge rettet Freund aus Teich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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ist. Als ich noch mal zu ihr schaue, hat sie sich weggedreht und starrt an die Wand.

    Ich lege mich ins Bett und bete zum lieben Gott, bitte darum, dass es mit meiner Mutter bald wieder aufwärtsgeht und dass meine Großeltern gesund bleiben und so weiter, für die Leute in der Dritten Welt natürlich und alle anderen, denen es schlechter geht als mir. Dann lese ich noch in den japanischen Märchen, und kurz vor dem Einschlafen werde ich aufgeregt wegen morgen! Ein wenig mulmig ist mir schon bei dem Gedanken, so lange mit Oma Emmi allein zu sein. Bisher war ich immer in Begleitung von Erwachsenen in Todtglüsingen, so drei-, viermal im Jahr. Draußen fängt es leise an zu pladdern, bald wird es stärker. Ach, ist das gemütlich. Es geht doch nichts über einen Guss! Als dann der Wind den Regen in Böen gegen das Fenster drückt, schlafe ich ein.

    Oma weckt mich um neun. Mutter ist schon zum Einkaufen aus dem Haus. Ich habe den alten Lederkoffer von Opa gepackt, der ist ganz abgewetzt, und man sieht damit aus wie jemand, der schon jede Menge Reisen hinter sich hat und ein alter Hase ist. Woher sollen die Leute auch wissen, dass dem nicht so ist? Vielleicht sind meine Eltern ja Weltenbummler oder Diplomaten oder sonst was und schleppen mich seit frühester Kindheit überall mit hin. Ich spreche verschiedene Sprachen, und mich kann nichts so schnell aus der Ruhe bringen. So stelle ich mir das jedenfalls vor, und wenn man sich Dinge lange genug vorstellt, werden sie irgendwann wahr. Außerdem kommt es einzig und allein drauf an, ob ich es glaube, und das ist nicht die Schwierigkeit, ganz und gar nicht. Ich gehe in den Keller, um mich von Opa zu verabschieden. Mit seinem dunkelblauen Anzug sieht er noch mal kleiner aus als sonst, es ist, als wäre er geschrumpft seit seinem Infarkt. Er verbringt zwar immer noch seine ganze Zeit im Keller, aber gezeigt hat er uns schon lange nichts mehr. Ich stelle mir vor, wie er den lieben langen Tag an der Werkbank steht, sich am Kopf kratzt und sich fragt, was er als Nächstes machen soll, und über der Grübelei ist es plötzlich Abend geworden.
    «Wo willst du denn hin, mein Junge?», fragt er und macht ein ganz trauriges Gesicht.
    «Zu Oma Emmi, das weißt du doch.»
    Er guckt erstaunt.
    «Ganz alleine, Mathias?»
    «Ja, ich fahre mit dem Zug, den Weg vom Bahnhof zu Oma Emmi kenne ich, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.»
    Opa guckt noch mal eine Spur trauriger.
    «Dann mach’s mal gut, mein Junge. Komm gut hin und komm gut wieder.»
    «Ja, Opa, wünsch ich dir auch.» Ich gebe ihm zum Abschied noch einen Kuss auf die Backe, es fühlt sich stoppelig an, das hätte es früher auch nicht gegeben.

    Oma ist ganz verdattert, dass ich schon loswill.
    «Willst du nicht auf Mutti warten?»
    «Ach nee, ich weiß gar nicht, wann die genau wiederkommt, und nachher ist der halbe Tag schon vorüber, und ich will doch den Zug um vierzehn erwischen.»
    Das sagt meine Oma auch immer, dass der halbe Tag schon vorbei ist, und wenn ich jetzt ihre Bemerkung übernehme, kann sie nichts dagegen haben.
    «Na gut, dann grüße ich Mutti schön von dir.»
    «Ja, Omi, ich hab dich lieb.»
    «Ich dich auch, Mathias. Und tu nichts, was ich nicht lassen würde.»
    Das sagt sie bei jedem Abschied, und sei er noch so kurz. Als ich sie umarme, merke ich, wie krumm ihr Buckel ist, und sie selbst ist so zart und zerbrechlich wie Porzellan. Wenn ich nicht genau wüsste, wie zäh sie in Wirklichkeit ist, hätte ich Angst, so dünn und klein wirkt sie gerade. Am Gartenzaun drehe ich mich noch einmal um und winke. Oma steht am Fenster und winkt zurück. Frau Marek steht im Garten und lauert schon. Oma ist bestimmt nur wegen ihr drinnen geblieben, so weit ist es schon gekommen, dass sie sich wegen der ollen Marek nicht aus dem Haus traut, die Pest wünsche ich der an den Hals. Plötzlich bekomme ich ein schlechtes Gewissen, sie so alleine zu lassen. Opa ist keine große Hilfe mehr und Mutter mit sich selbst so beschäftigt, dass sie nicht merkt, wie Frau Marek Oma das Leben zur Hölle macht. Meine arme Oma.
    Nach dem Dauerregen gestern herrscht jetzt herrlichstes Sommerwetter, das uns noch lange erhalten bleiben soll. Als Reiseproviant hat mir Oma ein Gerstenbrot mit Schweizer Käse gemacht, dazu Sunkist und als Süßigkeit eine Leckmuschel. Der Nahverkehrszug nach Bremen geht von Gleis vier. Mit quietschenden Rädern fährt der Zug ein. Niemand steigt aus und niemand ein. Ich versuche, den Türknauf

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