Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
Jahren standen hier nur die Bauernhöfe von Holzapfels und Ristoffs, in der Zwischenzeit sind noch vier Fertighäuser dazugekommen, allesamt von Städtern, die es aufs Land gezogen hat. Als ich am Holzapfelhof vorbeilaufe, sehe ich durch die mächtigen Eichen hindurch die beiden Holzapfelsöhne, wie sie mit dem Luftgewehr auf eine Scheibe schießen. Ich weiß zufällig, dass sie Manfred und Wilfried junior heißen. Manfred ist etwa in meinem Alter und Wilfried junior ein paar Jahre älter. Oma Emmi hat mal gesagt, dass er schon ein Teenager wäre. Luftgewehrschießen ist das Allergrößte! Bei mir zu Hause dürfte ich das nie im Leben, aber hier auf dem Land ist eben alles anders, man darf viel mehr als in der Stadt. Zum Glück bemerken mich die beiden nicht, es wäre mir peinlich mit dem Koffer, ich weiß auch nicht, wieso.
Oma Emmis Haus liegt etwas versteckt hinter einer langen Auffahrt. Sie steht an der Haustür und wartet schon. Als sie mich sieht, lässt sie Lexi von der Leine, der völlig außer Rand und Band an mir hochspringt, er kann sich gar nicht wieder einkriegen. Von nahem kann ich riechen, was es zum Mittagessen gibt: Kotelett. Oma Emmi bekommt nur eine ganz kleine Rente, weil sie aus der DDR geflohen ist, eigentlich kann sie sich kein Fleisch leisten, aber wahrscheinlich hat meine richtige Oma ihr Geld dazugegeben, schließlich muss Emmi nun zwei Mäuler stopfen. Sie schließt mich in ihre fleischigen Arme und drückt mich so fest an sich, wie ich es ihr mit ihren sechsundsiebzig Jahren im Leben nicht zugetraut hätte. Lexi springt fortwährend an uns hoch und jault, weil er eifersüchtig ist. Er bellt so gut wie nie, er wirkt immer zittrig und verängstigt und würde sich auch niemals mit einem anderen Hund anlegen, und sei der noch so klein und harmlos.
«Eine Freude, eine Freude», ruft Oma Emmi fortwährend. Damit meint sie den Hund, wie der sich freut.
«Eine Freude, eine Freude», so geht das minutenlang. Umarmungen, der jaulende Lexi, Kotelettduft.
Oma Emmis Kotelett ist höchstens halb so groß wie meins. Während des Essens beobachtet sie mich, ob es mir auch schmeckt, oder weist den Hund zurecht, obwohl das weniger als gar nichts bringt. Lexi ist zwar verschüchtert, aber gleichzeitig auch schlecht erzogen, obwohl Oma Emmi ständig von allen möglichen Leuten ins Gebet genommen wird. «Ein Hund muss richtig erzogen werden, das ist auch besser für den Hund», «Ein Hund darf einem Menschen nicht auf der Nase herumtanzen» und so weiter.
Alles Quatsch, wie soll Oma Emmi in ihrem Alter denn noch einen Hund erziehen! Außerdem ist Lexi alles, was sie hat nach Onkel Horsts Tod. Unauffällig spuckt sie halbzerkautes Fleisch in ihre Hand und reicht es dem Dackel runter. Sie glaubt wohl, ich sehe das nicht! Am Ende läuft es darauf hinaus, dass der Hund das winzige Kotelett verspeist hat und Oma Emmi mit Salzkartoffeln und Gemüse vorliebnehmen musste. Sosehr Lexi einen gut bei mir hat, weil er sich so gefreut hat über mein Kommen, es geht nicht an, dass er der armen Oma Emmi das bisschen Fleisch wegfrisst. Ich versuche, ihn unter dem Tisch zu treten. Schließlich erwische ich ihn am Kopf, es gibt ein holziges Geräusch, der Köter rennt winselnd in die hinterste Ecke des Wohnzimmers und zittert dort vor sich hin. Oma Emmi versteht den Zusammenhang nicht.
«Was zappelst du denn so, Mathias?»
Auf die Idee, dass ich ihren Hund getreten haben könnte, kommt sie nicht. Zur Abwechslung könnte ich mich ja an die Erziehung des Tieres machen.
Obwohl ich die doppelte Portion hatte, bin ich noch vor Oma Emmi mit dem Essen fertig. Jetzt lutscht sie den Kotelettknochen ab, wahrscheinlich, weil sie noch so hungrig ist. Das sieht eklig aus, richtig gierig, als würde sie sich am liebsten den ganzen Knochen in den Mund schieben. Ich stelle mir vor, wie er festsitzt und sie ihn nie wieder herausbekommt. Als sie endlich fertig ist, leckt sie genießerisch den Teller ab. Ich kann gar nicht hinschauen. Im hintersten Winkel kauert der zitternde Kurzhaardackel, und Oma Emmi leckt kreuz und quer den Teller ab.
Nachtisch gibt’s nur sonn- und feiertags, also tragen wir die Teller in die winzige Küche, und Oma Emmi tut sie in das schmutzige Geschirrspülwasser, auf dem Kartoffelschalen und alles Mögliche schwimmen. Weil sie so sparsam ist, wechselt sie nur selten das Geschirrspülwasser, und damit es nicht ganz eisekalt ist, gießt sie ab und an kochend heißes Wasser nach. Ich stelle mir vor, wie im
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