Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
Toooor, Tooooor!»
Ich stürze auf die Terrasse und reiße die Arme nach oben.
«TOR FÜR DEUTSCHLAND!»
«Na, ist ja gut, Mathias. Beruhige dich doch.»
Von wegen beruhigen. Frau Donath sitzt steif da wie ein Stock, ihre Augen sind schwarz und klein wie Obstkerne. Seit neuestem reibt sie nicht nur die Hände aneinander, sondern saugt noch dazu pausenlos ihr Wangenfleisch nach innen und bläst dann ihre Backen auf wie ein Frosch. Sie scheint überhaupt nicht zu begreifen, was hier gerade vor sich geht. Ich frage mich wieder, woran die überhaupt noch Freude im Leben hat. Irgendetwas muss es doch geben.
Egal, schnell wieder rein. Jetzt haben die Deutschen Oberwasser, endlich! Selbst Beckenbauer schaltet sich in den Angriff ein und wagt einen Torschuss, den der Torhüter aber ohne Mühe pariert. Beckenbauer schießt einfach nicht hart genug! Pässe kann er schlagen wie ein Weltmeister, aber für direkte Torschüsse ist er zu schwach. Trotzdem liegt die Führung in der Luft. Ich weiß, dass jetzt die Stunde von Gerd Müller geschlagen hat, ich weiß es einfach. Und dann: Bonhof auf Müller, der schon im Strafraum bereitsteht, sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit um die eigene Achse dreht und das Ding flach ins linke Eck knallt. Keine Chance.
«TOOOOR, TOOOR, TOOOOOR, TOOOOOR.»
Jetzt haben wir sie! Und von wegen, Müller ist ein Abstauber. Solche Tore schießt auf der Welt nur einer, und zwar Gerd Müller. Und außerdem war das sein vierzehntes WM-Tor, damit ist er ab jetzt der ewige Torschützenkönig!
Halbzeit. Endlich. Das ist ganz wichtig für die Deutschen, sie müssen innehalten und für die zweiten fünfundvierzig Minuten eine Strategie abstimmen. Ich überlege schon, ob ich mich auf die Terrasse setzen und die zweite Hälfte auslassen soll, weil ich die Spannung nicht mehr aushalte, aber als die Mannschaften aus der Kabine kommen, bleibe ich gebannt sitzen. Nach dem Wiederanpfiff bekommen die Holländer noch einmal Luft, und es sieht eine Zeitlang nicht gut aus. Aber Sepp Maier wächst über sich hinaus, das muss selbst ich zugeben. Er hält echt alles. Dann trifft Gerd Müller erneut: 3:1!
«TOOR, TOOR, TOOR!»
Doch was ist denn jetzt schon wieder kaputt? Der Schiedsrichter entscheidet auf Abseits! Schon wieder Schiebung! Ich habe selten jemanden gehasst wie diesen verdammten Zirkusclown. 85. Minute. Eisenhartes Foul an Hölzenbein. Was macht der Schiri? Einfach nicht hingucken, lass liegen, tritt sich fest. Wenn den hinterher einer in die Finger kriegt, dann gnade ihm Gott. Und wenn die Holländer jetzt den Ausgleich erzielen? Der Countdown läuft. Drei Minuten noch. Zwei. Eine. Nun pfeif doch endlich ab! Pass auf, der lässt so lange spielen, bis die Holländer einen reinmachen. TRIIIIILLLLLLLL! Endlich. Ruhe im Puff, Deutschland ist Weltmeister! Und wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, sogar mit 4:1. Ist ja auch egal jetzt, wir sind Weltmeister!
Zur Scharfen Ecke
Heute ist mal wieder «Was bin ich?» mit Robert Lembke. Der sieht zwar aus wie scheintot, wird die Sendung aber wahrscheinlich noch moderieren, wenn wir alle schon längst unter der Erde sind.
Annette: «Sind Sie mit der Herstellung oder Verteilung einer Ware beschäftigt?»
Hans: «Könnte auch ich zu Ihnen kommen?»
Guido: «Machen Sie die Menschen glücklich?»
Gähn. Immer die gleichen Fragen. Mir gefällt’s trotzdem, besonders mit den Tropfen von Frau Schlummbohm. Ich nehme immer nur zehn auf einmal. Wenn ich weiter so eisern rationiere, reichen die noch ewig. Die Wirkung hält ungefähr eine Dreiviertelstunde an. Es lässt sich kaum beschreiben, wie das ist, eine x-beliebige Sendung zu schauen, und der Fernseher verwandelt sich in ein glühendes Lichtermeer, und ich sehe alle möglichen Dinge, bloß nicht «Ein Platz für Tiere» oder irgendwelche Ratefüchse. Wenn das Oma Emmi wüsste. Was ist eigentlich ein Unterwasserschweißer ? Ich liebe dieses rätselhafte Wort. Auch Guido errät es nicht, und der Kandidat zieht mit randvollem Schwein ab.
Ich weiß natürlich, dass Morphium gleich hinter Heroin kommt, aber da es in den medizinischen Tropfen verdünnt ist, habe ich keine Angst davor, süchtig zu werden. Das wär’s noch, mit vierzehn drogenabhängig, und das in Todtglüsingen! Wenn ich es mir weiter so gut einteile, komme ich bis zum Ende des Jahres hin, dann ist leider Schluss, denn wie soll ich jemals wieder an solche Tropfen kommen? Als gegen neun die Wirkung abklingt, gähne ich und räkele mich
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