Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
demonstrativ.
«Na, Mathias, bist du etwa schon müde? So kenn ich dich ja gar nicht.»
«Vielleicht liegt’s daran, dass wir die ganze Woche geschuftet haben wegen der Waldhütte.»
«Was wollt ihr damit denn überhaupt anfangen?»
«Wenn das Wetter besser wird, können wir ja mal draußen übernachten.»
Es folgt eine bange Pause. Gut möglich, dass Oma Emmi es verbietet, die Chancen stehen fifty-fifty, würde ich mal sagen. Aber sie hält sich bedeckt.
«Wollen mal sehen. Komm, wir gehen ins Bett.»
Wenn alles gutgeht, sitze ich in einer Stunde in der Scharfen Ecke! Dachsi trollt sich in sein Körbchen, als könnte er kein Wässerchen trüben. Neulich hat er den Briefträger durch den Zaun hindurch erwischt und ihm das Hosenbein zerfetzt. Der war so außer sich, dass er die arme Oma Emmi angebrüllt hat:
«WENN ICH IHREN HUND ZU FASSEN KRIEGE, WERDE ICH IHM IN DEN ARSCH TRETEN, BIS IHM DIE NASE BLUTET!»
Ich bin mir sicher, dass Dachsis letztes Stündchen bald geschlagen hat. Nach endlosem Geblähe steigt Emmi, wie immer mit kalkweißem Gesicht, ins Bett. Ich nehme ihre Hand, damit sie besser einschlafen kann. Das habe ich ewig nicht mehr gemacht, hoffentlich wird sie nicht misstrauisch. Aber die Sorge war unberechtigt, nach wenigen Minuten beginnt sie zu schnarchen. Erzlangsam winde ich mich unter der Decke hervor und schleiche durch den Flur. Die Töle kriegt natürlich Wind von der Sache und will mit. Ich hau ihm eine. Nicht mit mir. Manfred wartet schon. Doch so schnell schießen die Preußen nicht!
«Und?»
«Was und?»
«Die Platte.»
Mit so viel Entschlossenheit hätte er wohl nicht gerechnet! Zähneknirschend drückt er mir die Doppel-LP in die Hand. Ich kann es kaum erwarten, sie endlich in aller Ruhe zu hören und die Texte und alles auswendig zu lernen. Was wollen wir in der Scharfen Ecke überhaupt anstellen? Alkohol trinke ich auf keinen Fall, betone ich.
«Das werden wir ja sehen.»
«Niemals! Wenn Oma Emmi in der Nacht aufwacht, und ich habe eine Schnapsfahne! Das mit dem Rauchen hat sie mittlerweile ja geschluckt, glaube ich, aber Alkohol, niemals!»
Auwei, jetzt habe ich verraten, dass ich mit Emmi in einem Bett schlafe! Aber Manfred ist so dumm, dass er es nicht schnallt und auf sich beruhen lässt. Vielleicht hat die Scharfe Ecke ja heute zufällig Ruhetag! Hoffentlich. Ich schätze die Chancen auf eins zu sieben. Doch die Kneipe ist das einzige Gebäude, in dem überhaupt noch Licht brennt, im gesamten Dorfkern ist es sonst stockfinster, und es herrscht Grabesruhe, als wäre Todtglüsingen eine Geisterstadt. «Die Blutpatrouille» fällt mir ein, so heißt eines der besten Vampir-Horror-Hefte. Mir kommen Zweifel. Wir sind ja noch nicht mal Halbstarke, der Wirt muss uns von Rechts wegen sofort wieder an die frische Luft setzen.
Seltsam, wenn man ein Gebäude, an dem man schon eine Million Mal vorbeigelaufen ist, zum ersten Mal betritt.
Einer der drei Männer, die regungslos am Tresen sitzen, ist Bauer Ristoff. Seine Augen sind gerötet, und das Gesicht wirkt irgendwie geschwollen. Ach du Scheiße, denke ich im ersten Moment. Aber dann wird mir klar, dass er morgen sicher nicht gleich zu seinem Erzfeind rennen wird, um uns zu verpfeifen. Außerdem sieht er so hinüber aus, dass er bis dahin wahrscheinlich sowieso alles vergessen haben wird. Manfred hat mir im Vorfeld gesteckt, dass der Wirt Uwe heißt. Ein glatzköpfiger Gnom, er sieht mit seinen extradicken Hängebacken aus wie ein Eber oder so. Zur Begrüßung nickt er uns kurz zu. Wie kommt der denn mit diesem Fettwanst überhaupt an seinen Zapfhahn ran?, frage ich mich. Wir verziehen uns in eine Ecke am Fenster. Uwe stellt uns einen Aschenbecher hin und erkundigt sich nach unseren Getränkewünschen. Er tut so, als wären wir richtige Erwachsene. Das gefällt mir nicht schlecht. Manfred bestellt einen Schoppen Weißwein, ich eine Bluna, da bin ich eisern.
«Mensch, Adolf, was ist denn los mit dir heute?»
Uwe meint Herrn Ristoff. Ich wusste nicht, dass der mit Vornamen so heißt wie Herr Marek, und finde es überhaupt seltsam, dass er mit Vornamen angesprochen wird. Herr Ristoff winkt ab und widmet sich wieder seinem Glas. Ich kann nicht erkennen, was dadrin ist, irgendeine dunkle Flüssigkeit, wahrscheinlich Whiskey. Die anderen beiden Gestalten habe ich noch nie gesehen. Insgesamt ein trauriger Haufen.
Ich finde es affig, dass Manfred Wein bestellt hat, wahrscheinlich würde er auch viel lieber Bier trinken, aber er
Weitere Kostenlose Bücher