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Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Titel: Junge rettet Freund aus Teich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Sonja hat angefangen, voll rumzustöhnen, und Martin auch. Als ob wir Luft wären. Das konnte ich mir nicht länger mit angucken. Ich möchte weder Sonja noch Martin in einer solchen Situation erleben, dann hat das mit uns nämlich keinen Wert mehr. Vielleicht dachten die ja, dass Ina und ich auch einsteigen, aber auf die Idee wären wir nie im Leben gekommen, da hätte Ina schon den ersten Schritt tun müssen, was sie natürlich niemals gemacht hätte, und wenn, dann sicher nicht mit mir. Das wäre mir auch zu viel geworden. Ich hab mir das zwar schon oft vorgestellt, eigentlich mit fast allen Mädchen aus meiner Klasse, auch den hässlichen, aber es ist doch ein gewaltiger Unterschied, es sich nur vorzustellen oder es tatsächlich zu machen.

    Nicht mal zwei Wochen später hat Martin mit Sonja Schluss gemacht. Vollkommen grundlos. Dabei hatte er mir am Wochenende noch vorgeschwärmt, wie es war, als Sonja ihm in die Hose gegangen ist. Das wäre das Beste überhaupt. Er hat auch erzählt, wie umgekehrt er ihr auf dem Spielplatz in die Hose gegangen ist und sie total drauf abfuhr. Er hätte sie «nach allen Regeln der Kunst durchgeorgelt ». Diese Formulierung fand ich total eklig, ich wollte das alles eigentlich gar nicht wissen, aber den Mund konnte ich ihm ja schlecht verbieten. Und jetzt macht der Idiot einfach Schluss. Auf meine Frage nach dem Grund hat er nur «keinen Bock mehr» gesagt. Ganz schön schwach, aber mehr fiel ihm dazu nicht ein. Wahrscheinlich ist er einfach nicht verknallt. Wenn ich mir im Vergleich dazu vorstelle, wie lange ich in Heike verliebt war, und zwar ohne jegliche Hintergedanken! Aber jetzt ist es sowieso zu spät mit Heike, da wird nie mehr was draus, abgesehen davon, dass sie noch mal stiller geworden ist, als ob sie endgültig gebrochen wäre. Und selbst wenn sie noch wäre wie früher, dann würde sie garantiert mit Karsten Petermann oder einem ähnlichen Kaliber gehen. Sonja ist natürlich total fertig. Da darf Martin innerhalb einer Woche alles mit ihr machen, was sie Stefan monatelang verweigert hat, und er lässt sie fallen wie eine heiße Kartoffel! Zwischen uns ist es auch nicht mehr so wie früher, nach allem, was ich weiß, und sie weiß ja auch, dass ich es weiß, vertrackte Situation.

    Am 17. November ist Opa ins Heim gekommen. Mutter hat sich am Ende gegen Oma durchgesetzt. Das Fass zum Überlaufen brachte, dass er ausgebüxt ist und erst nachts um drei von der Polizei an einer Bushaltestelle aufgelesen wurde. Da saß er in Schlips und Kragen wie ein vergessener Regenschirm und fror sich einen ab. Er hat den Polizisten freundlich die Hand geschüttelt und seinen Hut gelupft. Sie brachten ihn dann nach Hause, und am nächsten Tag ist die Entscheidung gefallen. Seitdem geht es noch schneller abwärts mit ihm. Seit er im Heim ist, muss er sogar Windeln tragen.
    Am Nachmittag des Heiligen Abend haben wir ihn besucht, und es hat mir fast das Herz gebrochen, wie er da in käsigem Licht einsam und allein mit schrägem Kopf und halb geöffneten Lippen zwischen den anderen Tattergreisen saß, die schief und krumm Weihnachtslieder sangen oder einfach nur noch ihre Münder stumm auf- und zumachten oder tonlos vor sich hin pfiffen. Glück kann es an solchen Orten nicht mehr geben. Opa war schlecht rasiert, eine große Schramme lief ihm über die linke Backe bis zum Hals. Da wurde mir auf einmal klar, dass er die ganze Zeit schon auf Vorrat gewartet hatte. Er wohnte im Keller und wartete auf den Tod.
    Sein Anzug ist Totenhemd, Totenanzug und Totenmantel zugleich. Da war nichts mehr übrig vom leitenden Ingenieur, nach dessen Pfeife einmal mehr als hundert Leute getanzt haben. Zum Glück scheint er selber kaum noch etwas mitzukriegen. Er lächelt so mongomäßig viel wie in seinem ganzen früheren Leben nicht. So saßen wir zwei Stunden bedröppelt herum, und keiner wusste so recht, was er sagen sollte, selbst Mutter nicht, der ich ihr schlechtes Gewissen angesehen habe.
    Als wir dann wieder zu Hause waren, gab es kein Halten mehr. Oma hat geweint wie noch nie, wenigstens einmal in ihrem Leben hat sie keine Rücksicht auf andere genommen und ihren Tränen freien Lauf gelassen. Ein trauriges Häuflein Rumpffamilie hockte stumm um den Weihnachtsbaum, und alle hatten die Bilder von früher im Kopf: Onkel Otto und Tante Mariechen, der Kirchgang, Opa als Weihnachtsmann, die Bescherung, das gemeinsame Singen und Musizieren und das Mondauto. Als Oma auch noch die Gans verkohlt ist und wir

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