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Jungen und Maedchen - wie sie lernen

Jungen und Maedchen - wie sie lernen

Titel: Jungen und Maedchen - wie sie lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera F. Birkenbihl
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wenn wir feststellen, wie viele Lehrkräfte und Eltern die meisten Legastheniker für „krank“ halten. 2)
    Die amerikanische Harvard-Professorin Ellen J. LANGER weist regelmäßig darauf hin, daß ein sogenanntes Aufmerksamkeits-Defizit in der Regel lediglich umschreibt, daß sich ein Schüler auf etwas anderes konzentriert als auf das, was die Kritiker wollten. Lehrkräfte wünschen, daß SchülerInnen ihrem Unterricht aufmerksamst folgen, Eltern möchten, daß Kinder ihren (oft langatmigen) Erläuterungen oder gar Standpauken aufmerksam lauschen etc. Tatsache aber ist, daß die männlichen Schüler vielleicht in diesem Moment lieber ein lebendes Wesen beobachten, wenn sie durch das Fenster den eleganten Flug eines Vogels bewundern oder eine faszinierende Spinne die Wand hochklettern sehen . . .
    Wenn wir also die ersten beiden Faktoren zusammen betrachten, dann sehen wir schon, wie die Schulwelt auf so manche Jungen wirken muß: Sie werden gezwungen, sich still zu verhalten, obwohl sie sich bewegen müßten. Und sie werden von vorne „zugequatscht“, etwas, das männliche Hirne absolut nicht mögen. Aber es kommt noch schlimmer.

Reden oder handeln?
    Es gibt inzwischen zahlreiche Studien über die unterschiedlichen Denk-Stile von Männern und Frauen (vgl. meinen DVD-Vortrag Männer/Frauen – mehr als der kleine Unterschied? ). Für unsere Diskussion wollen wir zwei Aspekte herausgreifen, die sich bereits in der Schule bemerkbar machen, sogar schon in den ersten Klassen:
    Eine zweite „Überkreuz“-Entwicklung
    In Kapitel 1 sind wir der ersten Überkreuz-Entwicklung begegnet: Jungen entwickeln ZUERST die Grobmotorik , Mädchen die Feinmotorik . In der Pubertät kehren sich beide Entwicklungen um, was im Diagramm ein „Kreuz“ ergibt (s. Seite 26). Es gibt aber noch eine zweite Überkreuz-Entwicklung, nämlich die Reihenfolge, in der Männer und Frauen denken/sprechen bzw. handeln:

    Überkreuz-Entwicklung DENKEN – HANDELN
    Inge SCHWANK , Professorin für Mathematik-Didaktik (Osnabrück), schildert Jugendliche, die einen PC programmieren sollen. Noch ehe sie wissen, worum es geht, beginnen die Jungen herumzuprobieren („rumzuhacken“): Manche tippen schon mal die DATA-Zeilen ein (wird sich schon zeigen, wozu man die später brauchen wird), andere probieren diverse Ideen aus. Sie sitzen am Computer, während die Mädchen irgendwie nicht „in die Gänge zu kommen scheinen“. Warum? Weil die weibliche Gehirn-Architektur genau umgekehrt angelegt ist. Man will zuerst wissen, worum es geht, ehe man handelt . Deshalb „quatschen“ sie nun (in den Ohren der Jungen, die bereits „ernsthaft arbeiten“). In den Augen der Mädchen hingegen sind die Jungen „komisch“: Wie kann man denn schon in Aktivismus ausbrechen, wenn man noch gar nicht weiß, worum es geht?
    Aufgrund dieses grundsätzlichen Unterschiedes ist Unterricht, bei dem lang und breit über Dinge geredet wird, ehe man handelt (z. B. ehe man einen Aufsatz zum Thema schreiben muß), für Mädchen ideal. Sie sind durchaus bereit und fähig, Input von außen zu integrieren und danach trotzdem selbständig zu denken. Für Jungen ist das aber der falsche Weg; sie wollen die Welt durch ihr Handeln begreifen.
    Anweisungen oder exploratives Lernen ?
    Das weibliche Hirn liebt klare Anweisungen (deshalb sind Rezept-Bücher seit Jahrzehnten mit die bestverkauften Bücher in der modernen Welt). Mädchen möchten sich auskennen, DANN beginnen sie zu experimentieren. Erklärungen sind willkommen, Erfahrungsaustausch mit jenen, die es schon können, Lesen von Gebrauchsanleitungen etc. Wenn sie also wissen, worum es geht und was man tun soll, dann beginnen sie zu HANDELN. Die Jungen gehen umgekehrt vor. Dieser Unterschied bedeutet: Jungen sind am glücklichsten mit einem Coach (deshalb lieben sie den Sport, dort gibt es keine Lehrkräfte, nur Coachs, die sie von der ersten Stunde an aktiv handeln lassen!). Mädchen lieben es, gemeinsam „laut zu denken“ (was die männlichen Wesen auch immens nerven kann, wie viele Kabarett-Beiträge hierzu immer wieder zeigen).
    Merke: Warum soll es nur an „freien“ bzw. an teuren Privatschulen möglich sein, daß in Klassen mehr experimentiert wird? Und warum können nur solche Schulen Mädchen die Möglichkeiten zur Diskussion vor dem Experiment bieten, während Jungen sich gleich aktiv einbringen dürfen und die Lehrer später mit ihnen sprechen, um herauszufinden, ob und was sie inzwischen gelernt haben? Warum soll

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