Jungen und Maedchen - wie sie lernen
das an Regelschulen nicht möglich sein?
Wenn Sie dieses Buch als Elternteil lesen, dann überlegen Sie einmal, inwieweit Sie diese Erkenntnisse im Alltag zu Hause nutzen können. Wie oft hält man Jungen davon ab, etwas auszuprobieren, weil Muttis ihnen vorab alles haarklein erklären wollen? Und wie oft geben Väter nur rudimentäre Infos und wundern sich, daß die Töchter zögern und erst zur Mutter gehen, in der Hoffnung, daß diese mehr darüber weiß?
Zwischenbilanz: entdeckendes Lernen?
Auf die Frage 6 (vgl. Hier geht's los , Seite 15) können wir nun eine klare Antwort geben: Während Jungen (und Männer) immer und jederzeit ent-DECK-end (forschend, selbst herausfindend) lernen wollen, möchten Mädchen bei ganz neuen Dingen zuerst eine Gebrauchsanweisung. Wenn sie aber dann weiterlernen sollen (wollen), sind sie genauso daran interessiert, Dinge selbst entdecken zu dürfen.
Der nächste Faktor wurde u. a. von der Harvard-Professorin Ellen J. LANGER 3) erforscht (s. Literaturverzeichnis; leider sind ihre Werke in Deutschland aber fast immer vergriffen).
REGELN befolgen
Wie wir gerade sahen, sind Mädchen bereit, Anweisungen (und Regeln) zu befolgen, zumindest bis sie genau wissen, „was Sache ist“. Danach hängt es sehr vom Umfeld ab, ob sie experimentieren oder nicht. LANGER-Studien zeigen, daß man Mädchen quasi die Anweisung geben muß, kreativ etwas Neues auszuprobieren. Dies tun sie nur, wenn es Teil der Anweisung ist. LANGER hatte aber ebenso klar erkannt, daß Jungen Anweisungen selten befolgen, daß sie von Anfang an herumprobieren und daß es deshalb kaum Sinn hat, ihnen vorab viel zu sagen, weil sie sowieso tun, was sie wollen. In einem der Experimente hatte man Jungen und Mädchen (und in parallelen Gruppen Männern und Frauen) eine besondere Art von Ballspiel beigebracht. Man nannte es SMACK-IT-B#ALL , und der Witz daran war folgender: Wenn die Gruppen mit dem Ball einigermaßen gut umgehen konnten, wurde er gegen einen identisch aussehenden ausgetauscht, der jedoch ein wenig schwerer war. Dabei stellte man fest: Jungen und Männer konnten sich in null Komma nichts auf den neuen Ball einstellen und in kürzester Zeit ihr erworbenes Spiel-Niveau wieder erlangen. Bei den Mädchen und Frauen war es anders: Jene in der Kontrollgruppe , die nur konkrete Anweisungen, wie man spielen sollte, erhalten hatten, konnten sich gar nicht auf den neuen Ball einstellen. Keine wußte, daß sie „betrogen“ worden waren. Bald hörten diese Spielerinnen auf und meinten, sie hätten wohl kein Talent für dieses Spiel. Ganz anders jedoch jene, denen vorab gesagt worden war: „Die Anweisungen, die Sie erhalten, können nur grobe Richtwerte darstellen, denn jeder Körper ist anders. Bei einer Person ist der Oberarm länger, bei einer anderen der Unterarm. Das bedeutet, daß Ihr Bewegungsablauf ein wenig anders sein muß als bei Ihrer Nachbarin, um den Ball optimal zu treffen. Nutzen Sie also unsere Anweisungen nur als grobe Hilfestellung und FINDEN SIE SELBST HERAUS, was für Sie am besten ist !“ Diese Spielerinnen, denen man vom ersten Tag an die Erlaubnis zum Ausprobieren gegeben hatte, hatten (wie die Jungen und Männer) ebenfalls schnell zu experimentieren begonnen, und deshalb konnten sie sich genauso flexibel auf den ausgetauschten Ball einstellen wie die männlichen Spieler!
Leider erwarten Lehrkräfte, vor allem LEHRERINNEN, immer noch zu häufig, daß alle Kinder (also auch Jungen) ihre Anweisungen möglichst exakt einhalten. Dabei wissen sie nicht, daß ein „Abweichen“ der Jungen in der Regel weder auf Unachtsamkeit noch auf bösen Willen schließen läßt, sondern die „Variationen“ ergeben sich aus der männlichen Hirn-Architektur! Ähnlich müssen Mütter diese Lektion lernen, während Väter solche Abweichungen „übersehen“, weil sie gar nichts anderes erwarteten (dies geschieht weitgehend unbewußt).
Zwischenbilanz: die ersten fünf Faktoren . . .
Die ersten fünf Faktoren zeigen, daß Schule für manche Kinder (weitgehend Jungen!) eine Qual ist. So sehr, daß einige zum Heer der chronischen Schulschwänzer gehören (sei es, weil sie im Unterricht nicht mitkommen, oder sei es, weil sie ihn unerträglich langweilig finden. Einzelne Bundesländer (wie NRW) ermittelten 30 000 chronische Schulschwänzer. 4)
Und sie finden es völlig ok, diese mit der Polizei an die Schulen zurückzubringen. Seit Jahren verschlimmert sich die Situation ständig, und noch immer wollen zu viele
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