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Jungen und Maedchen - wie sie lernen

Jungen und Maedchen - wie sie lernen

Titel: Jungen und Maedchen - wie sie lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera F. Birkenbihl
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Menschen es nicht wahrhaben. Wir SONDER-n jedes Jahr mehr Kinder (an SONDER-Schulen ) aus , und wir verschreiben heute (im Vergleich zu vor 10 Jahren) doppelt so viel Ritalin . Glauben wir wirklich, daß inzwischen doppelt so viele „behinderte“ oder „kranke“ Kinder aufgetaucht sind? Wenn ja, woher kommen sie denn? Oder könnten wir einfach von Jahr zu Jahr abgestumpfter (pardon: bereiter zum Abschieben des Problems) sein? Vielleicht etikettieren wir lediglich wesentlich mehr unbequeme Kinder als „behindert“ oder „krank“? Warum werden immer mehr Ritalin-Rezepte nicht etwa von verantwortungsbewußten Kinderärzten ausgestellt, sondern von Dentisten, Hals-Nasen-Ohren-Ärzten u. a., deren Aufgabe das nicht sein darf, wie die bundesdeutsche Beauftragte für Drogen feststellte. 5)
    Zuletzt möchte ich Ihnen noch zwei wichtige Aspekte vorstellen, die uns helfen zu verstehen, wie sich das Selbstwertgefühl von SchülerInnen entwickelt. Bei Judith Rich HARRIS ( Ist Erziehung sinnlos? ) lernen wir u. a. auch, warum Jungen wesentlich „resistenter“ gegen Nachhilfe-Unterricht sein können .

Selbst-Wert-Gefühl : Identifikation
    Der Begriff IDENTIFIKATION hat in der Psychologie eine Doppelbedeutung. Zum einen bedeutet der Begriff, „sich einer bestimmten Gruppe zugehörig zu fühlen“. Zum anderen gilt die Definition (nach FREUD ): „sein oder handeln wollen wie ein anderer“ (mit dem man sich identifiziert). Nun können wir festhalten: Die erste Definition gilt mehr für männliche Wesen, die zweite mehr für weibliche. Warum? Männer müssen, wie Doris BISCHOF-KÖHLER (in: Von Natur aus anders ) brillant herausgearbeitet hat, eine Doppelaufgabe lösen:
    Der Mann als Gruppenwesen : Kooperation & Rivalität
    Wir können das Thema in diesem Rahmen nicht erschöpfend behandeln, sondern nur kurz umreißen. 6)
    Männer müssen im Team oder in der Gruppe handeln – somit müssen wir sie grundsätzlich als Gruppenwesen betrachten, es gelten im Zweifelsfall gruppendynamische Gesetze. Diese wiederum bewirken, daß die Stellung in der Gruppe (oder wie SCHWANITZ sagt: Horde ) wichtiger ist als der einzelne als Individuum. Es haben in der Vergangenheit eben jene Menschengruppen überlebt (und ihre Gene weitergegeben), die besonders gut in Gruppen arbeiten konnten. Somit wurde diese Neigung in Jahrmillionen genetisch verankert . Gleichzeitig aber stellen alle Männer in der Horde auch Rivalen (um die Weibchen in der Gruppe) dar, das ist bei Tieren nicht anders als beim Menschen. Wenn sie sich nun zu gewissen Zeiten „total bekämpfen“ würden, würde die Gruppe sich auflösen (BISCHOF-KÖHLER), also müssen Männer es schaffen, beide Tendenzen zu vereinen. Das erklärt, warum der Mann sein Selbstwertgefühl aus der Anerkennung in der Gruppe bezieht, denn davon hängt seine Stellung in der Gruppe ab. Deshalb versuchen junge Männer, Gruppen beizutreten, die sie bewundern. Wenn man Glück hat, ist das die Clique im Jugendhaus in der Nachbarschaft oder ein Pfadfindertrupp. Aber unsere Gesellschaft fördert solche Gruppen nicht, für Spielplätze und Jugendhäuser haben wir kein Geld, also müssen die jungen Leute sich „auf der Straße“ herumtreiben, und dort regieren teilweise andere Gruppen die Nachbarschaft. Wir sehen die Entwicklung in Amerika (das uns bei gesellschaftlichen Entwicklungen in der Regel um ca. eine Generation voraus ist) sehr klar: Mitgliedschaft in einer GANG schafft Ansehen und Sicherheit. Wenn diese Gang Ladendiebstahl betreibt oder Autos knackt, dann muß auch Ihr Sohn mitmachen, wenn (und weil) er sich mit dieser Gruppe IDENTIFIZIERT .
    Aber selbst wenn es in Ihrer Nachbarschaft keine kriminellen Gruppen gibt, können diese gruppendynamischen Prozesse im Klassenzimmer Einflüsse ausüben, von denen viele Lehrkräfte keine Ahnung haben, weil das Thema Gruppendynamik bei uns selten zur Ausbildung gehört. Deshalb drehte ich einst den Lehr-Film Das erfolgreiche Meeting , der die vier wichtigsten gruppendynamischen Gesetze aufzeigt.
    Wichtig:
    Mündige Eltern und gute (Nachhilfe-)LehrerInnen müssen um diese Dinge wissen, weil sie sonst u. U. überhaupt keine Chance haben, schlechten Schülern (also meist Jungen) zu helfen, sich zu verbessern.
    Wie u. a. Judith Rich HARRIS aufzeigt, kann es sein, daß Schüler Michael schlecht liest. Falls Sie ihm nun (z. B. anhand der Maßnahmen im Praxis-Modul) helfen wollen, kann es passieren, daß er sich gar nicht helfen lassen darf . Wieso? Nun, wenn er

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