Jungen und Maedchen - wie sie lernen
(während man selbst eins vom rechten Nachbarn erhält).
3.
Jede/r führt seinen eigenen Satz nun auf dem nächsten Bogen, den man vom Sitznachbarn erhalten hat, fort, indem er/sie das Tätigkeitswort des eigenen Satzes notiert (hier also „tritt“). Dann tauscht man die Blätter wieder im Kreis aus. So geht es weiter, bis der Satz fertig ist.
4.
Nun öffnet jede/r das Blatt, das er/sie zuletzt erhalten hat, und liest den Satz vor, der dabei entstanden ist. Beispiel: „Der US-Präsident liegt besoffen in der Kaffeetasse.“
Später können die Satz-Strukturen, mit denen wir spielen, wesentlich komplexer werden. Dies ist die Einstiegs-Variante, so wie wir es in meiner Kinderzeit spielten – immer unter großem Gelächter. Es war ein enorm „demokratisches“ Spiel, es vereinte Erwachsene, Jugendliche und Kinder (ab ca. 8 Jahren), Menschen mit mehr oder weniger Bildung, reich und arm: Im Gelächter gleichen sich die Menschen doch sehr . . .
Ich erinnerte mich an dieses Spiel, als ich zwei Gedanken zusammenbrachte. Erstens die Klage von Lehrkräften, daß es unmöglich zu sein scheint, den SchülerInnen ein SPRACHGEFÜHL zu vermitteln, zweitens zahlreiche Studien, die eindeutig beweisen, daß Grammatik-Unterricht absolut nichts bringt (vgl. z. B. Alfie KOHN : Punished by Rewards und The Schools Our Children Deserve ). KOHN stellt fest, daß LehrerInnen Grammatik lieben, denn sie ist leicht zu unterrichten und kann einfach (und fair) benotet werden, da es nur eine richtige Antwort gibt. Wie ein Lehrer es einmal formulierte: „Grammatik ist die Mathematik der Sprachlehrkraft.“ Tatsache aber ist, daß Sprachgefühl sich nur durch Anwendung von SPRACHE selbst entwickelt, nicht durch isolierte Übungen, die den meisten SchülerInnen (vor allem aus bildungsfernen Familien) keinen Spaß machen. Wieder ein Steinchen in dem Mosaik unserer fehlenden Bildungs-Chancengleichheit in Deutschland. Da aber gerade diese Kinder Sprache wenig (differenziert) benutzen (sie SMS.en lieber, statt ganze Sätze zu schreiben), kann ein Spiel wie dieses sie animieren, sich (oft stundenlang) ganze Sätze auszudenken und diese aufzuschreiben. Wichtig ist, daß hier nicht über Rechtschreiben geredet wird – man liest die Sätze ja nur vor. Nach einer Weile, wenn diese Art von Satz-Struktur „sitzt“, können wir eine andere wählen – und so trainieren wir systematisch das Sprachgefühl. Falls man es HINTERHER unbedingt „grammatikalisch ausschlachten“ will, kann man HINTERHER zeigen, welche Wort-Kategorien man hier gespielt hatte: SUBSTANTIV – VERB – ADJEKTIV – ADVERBIALE des Ortes . . .
Oder welche Syntax dem Spiel zugrundelag: SUBJEKT – PRADIKAT . . .
Aber das ist, genaugenommen, gar nicht notwendig – nicht für die Lernenden. Manche Lehrkräfte „brauchen“ es vielleicht, um die Kinder für Prüfungen vorzubereiten, deren Sinn sie selbst inzwischen bereits bezweifeln (die aber vom System noch gefordert werden).
Und weil ich immer wieder gebeten wurde, auch zum Thema „Rechtschreiben“ Kopf-Spiele zu erfinden, habe ich ein weiteres 2) rechtzeitig für dieses Buch entwickelt:
Technik 10: Das FALSCH-SCHREIB-SPIEL – FONETIX ©
Wer sich einmal mit der phonetischen Schrift befaßt hat, weiß, daß die deutsche Sprache weit weniger phonetisch ist, als man immer behauptet. Im Italienischen gilt, daß man (weitgehend) schreibt, was man hört (sehr phonetisch). Deshalb gibt es dort die wenigsten Legastheniker. Das zeigt übrigens auch, warum bei uns nur ca. 10 % aller Betroffenen eine von zwei möglichen Fehlfunktionen im Gehirn haben (vgl. Seite 61 ff.), denn die meisten sogenannten Legastheniker sind einfach Opfer des Systems. Bei uns gibt es weit mehr Opfer als in Italien, aber in angelsächsischen Ländern noch mehr, denn hier ist die Kluft zwischen Aussprache und Schriftbild am größten (von den wichtigsten Sprachen, mit denen wir oft zu tun haben).
Nun habe ich ein Schreib-Spiel entwickelt, bei dem wir versuchen, wirklich aufzuschreiben, was man hört. Der Aussprache-DUDEN kann dabei helfen, wenn Sie sehr gute Augen haben (denn die Fallbeispiele in phonetischer Schreibweise sind so klein, daß ich sie nur mit Lupe entziffern konnte).
Wohlgemerkt, ich schlage nicht vor, daß Schüler mit Rechtschreibproblemen, seien sie nun Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, die internationale Lautschrift lernen sollten. Aber ich schlage vor, daß die Person, die als Spielleiter fungieren wird, das tut, damit sie den
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