Jungs sind wie Kaugummi - süß und leicht um den Finger zu wickeln (German Edition)
in nichts auf. Sofort schrillte Tante Julias Gelächter an mein Ohr und ich wusste, ich war wieder zu den Lebenden zurückgekehrt.
Gemeinsam mit Anna und Jörg-Thomas flüchtete ich in den Garten. Wir wollten Jörg-Thomas’ Labormäuse, denen er seinen Doktortitel zu verdanken hatte, in die Freiheit entlassen. Natürlich hatten die Mäuse die Doktorarbeit nicht für J geschrieben, aber er hatte ihnen Spritzen verpasst und so was, und dafür hatte er eben seinen Doktortitel bekommen. Sie waren weiß und putzmunter, trotz der mysteriösen Dinge, die Jörg-Thomas mit ihnen angestellt hatte.
Etwas wehmütig öffnete er den Käfig.
»Lebt wohl, ihr kleinen Mäuschen«, sagte er und verabschiedete jede einzelne namentlich. Fritz, Willi, Kunigunde. Eine hieß sogar Anna. Die Mäuse schnupperten am Ausgang herum, dann verließ eine nach der anderen ihr Gefängnis und verschwand in der Hecke. Jörg-Thomas wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. »Wenigstens ihre letzten Lebensmonate werden sie in Freiheit verbringen.«
Leider hatte er unrecht. Keine zehn Minuten später kam Omas Kater Wanja angesprungen und legte eine weiße Maus auf die Fußmatte vor der Terrassentür. Sie war mausetot.
»Oh, das ist Elfriede«, rief Jörg-Thomas und fügte etwas gedämpfter hinzu: »Glaube ich jedenfalls.«
Kater Wanja war schon wieder auf dem Weg zur Hecke. Er hatte offenbar ein Faible für weiße Mäuse entwickelt. Jörg-Thomas und ich folgten ihm schreiend und in die Hände klatschend durch den Garten. Es gelang uns schließlich, den Kater einzufangen und in Omas Gästezimmer zu sperren, in welches Onkel Peter sich geschlichen hatte, um heimlich die Sportschau zu gucken.
Wir legten Wanja Onkel Peter auf den Schoß und schärften ihm ein, ihn ja nicht loszulassen. Wenn er in ein paar Stunden wieder in den Garten durfte, würden die Mäuse sich sicher verkrümelt haben.
Jörg-Thomas begrub die tote Elfriede unter Omas Flieder und erging sich in Selbstvorwürfen.
»Alle Mäuse leben gefährlich«, versuchte ich ihn zu trösten. »Das ist eben der Preis der Freiheit.« Manchmal finde ich einfach irrsinnig passende Worte. Und so bedeutende!
»Meinst du wirklich?« Jörg-Thomas sah schon weniger bekümmert aus.
»Ja, ganz bestimmt«, sagte ich, und da waren wir uns für einen Moment so nah, wie ich es nie für möglich gehalten hatte. Wer weiß, wann ich in nächster Zeit wieder mit einem männlichen Wesen allein sein würde? Ich musste die Gelegenheit einfach beim Schopf packen. »Mal was ganz anderes, Jörg-Thomas. Ich habe da ein... ähm … biologisches Problem und bräuchte deine Hilfe.«
Jörg-Thomas sah mich voller Erwartung an. »Jederzeit«, sagte er. »Worum geht es?«
»Tja, auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, aber ich habe noch nie...mit Zunge geküsst. Und es ist wirklich wichtig, dass ich das kann. Wärst du also so nett, es mir kurz mal zu zeigen?«
»Äh«, machte Jörg-Thomas.
»Nur ganz kurz«, sagte ich, machte die Augen zu, spitzte die Lippen und wartete. Es geschah aber nichts und da machte ich die Augen wieder auf.
»Willst du nicht oder kannst du nicht?«, fragte ich.
»Na, weißt du, ich fühle mich wirklich sehr geschmeichelt, aber ich bin doch nun mal der Freund deiner Schwester«, sagte Jörg-Thomas. »Und...äh...die würde es sicher nicht so gerne sehen, dass ich eine andere küsse.«
»Aber es wäre doch nur...ein Akt reiner Nächstenliebe«, versicherte ich ihm. »Was rein Biologisches. Ich bin sicher, Anna hätte dafür Verständnis.« Außerdem musst du es ihr ja nicht gleich auf die Nase binden, du Idiot.
»Weißt du, Sissi, ein Kuss ist niemals nur etwas Biologisches«, sagte Jörg-Thomas ernst. »Es ist wichtig, dass du es gerade beim ersten Mal mit jemanden tust, den du liebst und der dich liebt.«
Ja, aber das war doch gerade das Problem! Verdammt. Solange ich es nicht getan hatte, würde ich es auch niemals mit Konstantin tun können. War das denn so schwer zu verstehen? Aber ich sah schon, mit Jörg-Thomas würde das im Leben nicht hinhauen, er war einfach nicht verwegen und spontan genug. Er passte ganz hervorragend zu meiner superspießigen, langweiligen, braven Schwester.
»Immerhin danke, dass du darüber nachgedacht hast«, sagte ich.
Rechtzeitig für die Klassenfahrt nach Berlin hob Mama den Stubenarrest auf. Ich war wieder frei.
»Aber nur auf Bewährung«, sagte Mama. »Eine einzige Dummheit und du kommst hier erst wieder zu deiner Pensionierung heraus.«
Es
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