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Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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Sonne schien, es war ein typischer Frühlingtag in Potsdam, warm und trocken und ruhig, da die meisten Familien in der Gegend über Pfingsten weggefahren waren. Frau Dohm wohnte jenseits des verrutschten Himbeerbelages, aber es war trotzdem nicht weit und sie gingen zu Fuß. Nick hatte seine Kamera und ein Stativ dabei und freute sich auf das Interview. Er mochte es, wenn Leute vor der Kamera saßen, denn dann veränderten sie sich. Jedes Mal faszinierte ihn dieser Prozess von neuem. Die Kamera war wie ein Therapeut und die Menschen öffneten sich und erzählten mehr aus ihrem Leben als in einem normalen Gespräch.
    Jetzt musste er nur noch Stella auf die Begegnung mit Frau Dohm vorbereiten. Was nicht so einfach war. Frau Dohm war anders als die meisten Menschen. Sie las nicht nur jeden Zeitungsartikel über dieses Viertel, die Filmstudios und alle Filmstars der Welt, sondern hob eigentlich alles auf, was ihr irgendwie wichtig erschien. Und zwar seit über sechzig Jahren.
    »Weißt du, Frau Dohm ist ziemlich speziell.«
    »Ja?«, sagte Stella, ohne ihm richtig zuzuhören. Vermutlich dachte sie an Ares.
    »Sie hebt eine Menge Dinge auf.«
    »Zeitungen?«
    »Auch. Und Joghurtbecher, Eierkartons, Weißblechdosen, Plastiktüten, Pappkartons ...«
    Irritiert über die Aufzählung sah Stella ihn doch an.
    »Sie ist eine Sammlerin?«
    Nick neigte den Kopf etwas zur Seite. Sammlerin war eine sehr nette Beschreibung für Frau Dohm und er hätte es gerne so stehen gelassen, wäre da nicht das Haus gewesen. Von oben bis unten voll ... mit Müll.
    »Nun, sie sammelt, ähm, alles.«
    Stella nickte lässig. »Ach, sie ist so ein Messi!«
    »Nun ja, eigentlich ist es sogar noch schlimmer.«
    »Noch schlimmer?«
    »Sieh einfach selbst.«
    Sie waren vor einem einfachen Einfamilienhaus angekommen, zwei Stockwerke, ein tief nach unten gezogenes Spitzdach, große Fenster symmetrisch neben der Haustür angeordnet, grauer einfacher Putz an der Außenfassade.
    Nick schloss das Gartentor auf und kontrollierte den Briefkasten. Es waren ein paar Werbezettel darin, die er sofort in die Mülltonne im Vorgarten warf, denn wenn er sie mit hinein nahm, landeten sie nur auf einem der Stapel, die Frau Dohm im ganzen Haus angelegt hatte. Was machte man mit einem Reklamezettel über Sonderangebote bei Aldi aus dem Jahr 1982? Hierüber konnte man mit Frau Dohm nicht diskutieren. Der Zettel wurde aufgehoben. Nick hatte zu seinem eigenen Wohl aufgehört, darüber nachzudenken. Er folgte nur der Anweisung seiner Mutter, zumindest nicht mehr Müll ins Haus zu tragen und die Zufahrtswege und Schneisen vor und im Haus freizuhalten.
    »Willkommen bei Frau Dohm!«, sagte Nick an Stella gewandt und steckte entschlossen den Schlüssel ins Schloss, den seine Mutter und er benutzten, damit Frau Dohm nicht zur Tür gehen musste. Doch dann zögerte er.
    »Stella?«
    »Ja?«
    »Nicht erschrecken, okay?«
    Stella nickte gelassen, er wusste, dass sie immer noch mit etwas Menschlichem, Nachvollziehbarem, Normalem rechnete. Wie er, bevor er das Haus zum ersten Mal betreten hatte.
    Nick schloss auf und schob die Tür drei Fuß breit auf. Stella zögerte, wartete, aber Nick zuckte nur entschuldigend mit den Schultern.
    »Wir müssen uns reinzwängen«, sagte er und lächelte, um die Situation aufzulockern. »Das ist der Grund, warum ich ihr immer das Essen bringe und nicht mein Bruder. Der würde seine Muskelpakete hier nicht durchkriegen.« Er grinste. »Hej, ich sollte echt mehr trainieren!«
    Er schob sich zur Tür hinein und drückte durch ein Loch in einem der Zeitungsstapel auf den Lichtschalter im Flur. Eine Sparlampe sprang flackernd an und beleuchtete eine Art Canyon zwischen aufgestapelten Zeitungen. Stella hatte sich hinter Nick durch die Tür geschoben und stand nun dicht an ihn gedrängt im Flur. Nick spürte ihren heißen Atem in seinem Nacken.
    »Dies ist die Zeitungsschlucht«, flüsterte er. »Frau Dohm sitzt meistens im Illustrierten- und Fotogebirge, von ihr ganz altmodisch noch Wohnzimmer genannt.« Er dreht sich halb zu Stella um und sah ihren offen stehenden Mund, die weit aufgerissenen Augen.
    »Das ist ... kann man das nicht ...«
    Er schüttelte schnell den Kopf. »Denk gar nicht dran. Meine Mutter hat es versucht, aber, es geht nicht. Erst wenn sie, na ja, auszieht.«
    Stella nickte geschockt. Sie schoben sich im Flur voran. Nick blieb kurz stehen und zeigte Stella die Küche. Der Raum war bis zur Mitte der Fenster mit Eierkartons,

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