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Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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ja?«
    »Ja, sie war leicht zu begeistern und ... etwas orientierungslos.«
    Frau Dohm wusste, dass ihre Geschichte gerade einen Höhepunkt erreichte und nahm sich Zeit, ordnete ihr falsches Haar und lächelte in die Kamera.
    »Und 1931 heirateten sie und Goebbels.« Sie sah zu Stella und flüsterte: »Hitler war Trauzeuge.«
    Und auf einmal begriff Nick, von wem die ganze Zeit die Rede war. Magda Goebbels, deren letzte Tage er im Film Der Untergang gesehen hatte. Kein Oscar für Deutschland, aber immerhin eine Nominierung.
    »Sie meinen, aus Magda Quandt wurde Magda Goebbels?«, fragte Nick von der Tür aus und Stella nickte.
    »Die Frau, die ...?«
    »Ja, das war die Frau, die später ihre sechs Kinder in Hitlers Führungsbunker tötete und mit ihrem Mann Selbstmord beging. Auf ihre Art war sie sehr leidenschaftlich. Eine sehr extreme Frau, Kindchen. Das kann man sich heute schwer vorstellen, nicht?«
    Frau Dohm tätschelte Stella das Knie und Nick ging zurück in die Küche, um den Tee aufzugießen.
    Als er mit der Teetasse zurückkam, hatte Frau Dohm ihren Kopf auf die Rückenlehne ihres Sessels gelegt und die Augen geschlossen.
    »Sie ruht sich etwas aus«, flüsterte Stella. »Kann ich hier auf Klo gehen?«
    »Besser nicht«, flüsterte er zurück »Wir machen nicht mehr lang, sie wird schnell müde.«
    Frau Dohm schlug die Augen wieder auf, hob den Kopf und lächelte. »Nikolaus, schön, dass du da bist!« Sie drehte den Kopf freundlich zu Stella. »Und wer sind Sie?«

45
    »Alles, was du hast, hat irgendwann dich.«
    (Fight Club)
    Stella atmete tief durch. Sie saßen auf einer öffentlichen Wiese in der Nähe, Stella wollte die Sache verarbeiten, aber gleichzeitig spürte sie, dass sie dafür viel mehr Zeit brauchte. Nick saß still neben ihr und zupfte Gras aus der Wiese. Er verstand sie, ohne viel zu reden und sie war dankbar, dass er zuhörte.
    »Weißt du«, sagte sie nachdenklich, »sie ist ja offenbar sehr glücklich und zufrieden.«
    Nick blinzelte in die Sonne und nickte.
    »Aber was ich so schlimm finde«, fuhr Stella fort, »ist, dass sie nur in der Vergangenheit lebt. Sie hat eine so gute Erinnerung an die Dinge früher, aber sie hat vergessen, dass wir gekommen sind, oder? Sie hat es einfach vergessen.«
    »Na ja«, sagte Nick, »manchmal ist es besser, dann wieder schlimmer. Meinen Namen hat sie sich erst gemerkt, nachdem ich zum fünften Mal da war. Danach hat sie mir ihre Autogrammkartensammlung gezeigt.«
    »Autogrammkarten?«
    »Von Schauspielern. Sie hat die Sammlung ihrer Mutter geerbt und selber weitergeführt. Ich schwöre dir, sie hat von jedem, wirklich jedem Schauspieler ein Autogramm. Sie hat sich sogar während der DDR-Zeit Autogrammkarten aus dem Westen schmuggeln lassen.«
    »War sie denn Schauspielerin?«
    »Nein. Sie hat bis zu dem Tod ihrer Mutter mit ihr zusammengelebt. Immer hier in diesem Haus.«
    Stella sah auf und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Es war so schön hier draußen, die Sonne schien, es roch nach Blüten, nach Frühling, aber Frau Dohm saß in einem Haus, in dem es nach altem Papier und Essensresten roch und blätterte in Fotoalben. Was hielt sie davon ab, nach draußen zu gehen, das Leben zu genießen, es überhaupt zu leben?
    »Hatte sie nie einen Mann? Kinder? Einen Beruf?«
    Nick kaute auf einem Grashalm und schüttelte den Kopf.
    »Glaube nicht. Hast du rausbekommen, ob es Goebbels auf dem Foto war?«
    »Ja.«
    »Ja?«
    »Nein, ich meine: Es ist nicht Goebbels. Es ist ihr Vater. Er war Schauspieler. Sie hat erzählt, er ist 1936 nach Amerika ausgewandert, als das Gesetz erlassen wurde, dass jeder, der am Kulturgut Film mitarbeiten wollte, deutscher Staatsbürger oder deutschstämmig sein musste.«
    Nick blinzelte sie an. »Aber hatte sie dann nicht auch Probleme, wenn ihr Vater ...«
    »Nein. Sie war ein uneheliches Kind. Ihre Mutter hat ihr erst viel später erzählt, wer ihr richtiger Vater war. Das Foto ist ihre einzige Erinnerung an ihn.«
    »Ach so«, sagte Nick. »Aber es sieht Goebbels wirklich verdammt ähnlich, oder?«
    »Tja, seltsam, je länger es her ist, desto ähnlicher erscheinen die Menschen auf Fotos, oder? Als ob sie alle gleich aussehen wollten.«
    »Zumindest auf Fotos«, sagte Nick und lächelte.
    »Wollen wir weiter?«, fragte Stella.
    »Okay.« Er stand auf. »Und Stella?«
    »Ja?«
    »Ich habe Ares und Olivia nie so genau erzählt, wie es bei Frau Dohm aussieht.« Nick sah sie nicht an, als er sprach. »Ich habe meiner

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