Junimond (German Edition)
diesen Stil steht, hat sie ihr geschickt.«
»Irgendein Verehrer?«
Olivia zuckte mit den Achseln. »Na ja, als Schauspielerin ... sie hat ständig Sachen bekommen. Und Briefe. Du kommst dir komisch als Kind vor, wenn jeder glaubt, deine Mutter mehr zu lieben, als du selbst.« Sie legte den Kopf schief und sagte dann ganz unvermittelt. »Und? Wie ist es mit dir und Ares? Habt ihr euch schon geküsst?«
»Geküsst?« Stella fühlte sich etwas überrumpelt von der schnellen Überleitung und der plötzlichen Wendung des Gesprächs. Sie war auf einmal sehr mit ihrem Teebeutel beschäftigt.
»Ich kenne ihn doch kaum.«
»Na, durch Bücher lesen, wirst du ihn nicht besser kennenlernen.«
Stella blinzelte leicht genervt zu Olivia. »Aber wenn wir uns mal unterhalten würden?«
»Worüber?«
»Hä?«
»Weißt du, Ares ist nicht unbedingt der große Unterhalter«, sagte Olivia und blickte Stella mit großen Augen über ihren Teebecher hinweg an.
»Ich meine keinen Small-Talk. Ich meine richtiges Reden.«
»Ich auch«, sagte Olivia ernst. »Ich will ja nur sagen, Ares zeigt seine Gefühle nicht unbedingt durch Gespräche.«
»Und wie dann?«
Olivia grinste. »Na ja, er hat gestern seine Pizza mit dir geteilt.« Sie seufzte, als Stella stumm blieb. »Ich will dir eigentlich nur helfen. Ich kenne Ares eben.«
»Aber du kennst mich nicht«, sagte Stella hart und dachte: Wie auch? In jeder Stadt, in der sie bisher gelebt hatte, war sie eine andere Stella gewesen. In München das Mädchen aus Frankreich, in Frankfurt das Mädchen aus München, in Berlin das Mädchen aus Frankfurt. Jetzt war sie vermutlich das Mädchen aus Berlin.
»Dann erzähl mal etwas von dir«, sagte Olivia ernst.
»Interessiert dich das denn? Ich meine, dich interessiert noch nicht mal die Geschichte deines eigenen Hauses.«
»Es ist das Haus meiner Eltern! Und du hast schließlich auch nicht gewusst, dass deine Schwieger-Uroma hier ein Haus hatte. Und all die anderen Sachen.«
»Weil meine Mutter es mir erst heute Morgen im Krankenhaus so erzählt hat«, verteidigte Stella sich sofort.
»Ich würde sagen, Gleichstand.«
»Okay.«
Stella dachte an ihre Mutter und dass, was sie ihr alles verschwiegen hatte. Aus gutem Grund, wie sie behauptete, um Stella nicht mit alten Geschichten zu belasten, damit sie frei entscheiden sollte, wo sie in Zukunft leben wollte. Das klang zwar gut, aber Stella wäre es trotzdem lieber gewesen, sie hätte gleich die ganze Wahrheit erfahren. Natürlich war es ein Unterschied, ob es bei dieser Erbschaft nur um ein Haus ging oder um mehr.
55
Drei Stunden früher
Stella konnte Krankenhäuser nicht leiden. Es waren Un-Orte, genau wie öffentliche Toiletten und Müllkippen und Atomlager.
Ein Ort, der einem die Energie raubte, wenn man nicht krank in einem Bett lag, was man sich nicht wünschen sollte. Und eigentlich hatte Stella gedacht, ihre Mutter sah das ebenso. Doch schon beim ersten Besuch im Krankenhaus war Stella überrascht gewesen, wie zufrieden und glücklich ihre Mutter aussah. Den Fuß hochgelagert, mit einem Buch in der Hand, so, als wäre sie in einer Wellness-Klinik.
»Ich kann hier duschen und mich ausruhen und das Essen ist gar nicht mal so schlecht.«
»Mama, das Essen ist ... Plastik!
»Ja, aber es wird mir gebracht.« Ihre Mutter lächelte verlegen. »Weißt du, die letzte Zeit war ziemlich anstrengend für mich. Ich bin einfach froh, dass ich hier mal ein bisschen abschalten kann.«
»Von mir?«
»Nein, natürlich nicht. Aber dieses Haus ... überfordert mich ein wenig.«
»Ich dachte, wir ziehen zurück«, sagte Stella und spürte, dass sie das nicht unbedingt wollte.
Ihre Mutter seufzte. »Okay«, sie klopfte auf ihr Bett und Stella setzte sich zögernd. Die Bettnachbarin war schon vor einer Weile zum Rauchen nach draußen gegangen, sie waren allein. »Ich muss dir etwas sagen oder besser: gestehen.«
Stella schluckte, sie hasste diese Art von Einleitungen.
»Also, es ist so. Wir haben dieses Haus nicht von meiner Oma geerbt.«
»Nein?«
»Nein, nicht meiner richtigen. Es war die Schwiegermutter meiner Mutter.«
»Deine Schwieger-Oma?«
»Ich glaube, so etwas gibt es nicht. Weißt du, es ist etwas kompliziert. Meine Schwieger-Oma hatte nur einen Sohn. Und er war mit meiner Mutter verheiratet.«
»Hast du nicht erzählt, sie hat nach dem Krieg geheiratet?«
»Ja. Das war ihre zweite Ehe. Aber ihre erste Ehe war komplizierter, weil sie Jüdin war.«
»Was hat das mit dem
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