Junimond (German Edition)
Sein Herz raste, was würden Ares Eltern sagen, was Helena, was seine Eltern? Es war doch nicht seine Schuld! Er beugte sich über Ares und hielt seine Hand vor dessen Mund.
Danke, danke, lieber Gott , er atmete.
»Ich hoffe, du hast das gefilmt«, stöhnte Ares und grinste schief.
Nick wunderte sich, wie schnell Gott in das Leben eintreten und dann auch wieder verschwinden konnte. Auftrag erledigt, Bitte erfüllt. Und er sich nur noch bedanken musste. Danke, lieber Gott, egal ob es dich gibt oder nicht, danke, für deinen Beistand.
Ares lag auf der rechten Seite und zog mit beiden Händen sein linkes Bein an den Körper.
»Ist es gebrochen?«
»Nein, ich will es nur bei mir haben.«
»Soll ich dich mal ... besser hinlegen?«
»Geht schon. Ich steh gleich auf.«
Nick wusste von seinem Vater, dass Menschen, die sich verletzt hatten, meist so sehr unter Schock standen, dass sie ihre eigenen Verletzungen nicht genau einschätzen konnten.
Nick schluchzte leise und Ares sah ihn erstaunt an.
»Mir geht’s gut, Alter! Ich ruh mich nur ein bisschen aus.«
Ares Arme und Hände sahen übel aus und Nick wollte nicht wissen, wie es mit dem Bein war, das auf der Straße lag, aber je mehr sich Ares hin und her bewegte, die Beine anzog und austreckte, desto sicherer war er, dass er sich tatsächlich nicht schwer verletzt hatte. Da waren nur Schürfwunden und Blut.
Ein Auto kam, es hielt an, ein Mann in Sportkleidung sprang heraus und holte sofort sein Handy aus der Tasche.
»Nichts passiert!«, rief Nick, »Nur blutige Schürfwunden.«
»Blutige Schürfwunden?«, fragte Ares und wurde schwer in Nicks Armen, er war kurz vor der Ohnmacht.
»Nur sehr kleine«, log Nick schnell und hob Ares gemeinsam mit dem Mann auf den Bürgersteig.
Die Jeans war in Höhe des Oberschenkels bis zu den Turnschuhen aufgerissen und die Haut darunter offen. Nick setzte sich so, dass Ares sein Bein nicht sehen konnte. Und Ares lachte schon wieder.
»Ey, das war der Ritt meines Lebens!«
»Wie ist es denn passiert?«, fragte der Mann und schob seine Jacke unter Ares Kopf.
Nick machte eine Kopfbewegung zur Treppe. Der Typ verstand sofort. Er sah zu Ares, der breit grinste, dann zu Nick.
»Hat's wenigstens Spaß gemacht?«
»Ja«, sagte Nick, »war total abgefahren.«
53
»Wenn man ihn in einem kleinen Glasbehälter hält, bleibt der Goldfisch klein. Hat er mehr Platz wird der Fisch doppelt, dreimal oder vielmal so groß.«
(Big Fish)
Dienstagnachmittag
»Zeit für einen Blick in die Vergangenheit deines Hauses«, sagte Stella zu Olivia und lächelte. Sie standen vor dem Eingangsportal von Stellas Märchenschloss, neben der glubschäugigen Kamera, Olivia filmte und Stella holte ihre Aufzeichnungen heraus. Olivia hatte am Abend noch nicht einmal Lust gehabt, es selber zu recherchieren und sich bei der Aufteilung der Häuser mehr für das Haus von Marika Rökk und das Ex-Haus von Goebbels Frau interessiert. Vermutlich, weil sie dort glamourösere Geschichten erwartete, dachte Stella. Sie wurde immer noch nicht schlau aus Olivia. Manchmal hatte Stella das Gefühl, Olivia hatte ihre sozialistische Vergangenheit in den Genen, war eine selbstbewusste, energische Frau, die hundertprozentig allein im Leben klar kam und dann wieder hatte sie diese Schwäche für alle Dinge, für die Jungs Mädchen immer verspotten würden: Schokoladendiät, pastellfarbene Kleidung, dieses Himmelbett oder das rosafarbene Retrobike, ihre French-Nails und die Angewohnheit, immer etwas auf dem Teller zu lassen, wie ein verwöhntes Kätzchen.
Und nun waren sie unterwegs, um dokumentarische Aufnahmen für ihren Film zu machen und Olivia kontrollierte nur ihr Make up. Aber Stella hatte spannende Dinge über Olivias Haus herausgefunden.
»Also«, sagte sie aufgeregt und ordnete die Karteikarten in ihrer Hand, denn sie freute sich darauf, Olivia die Augen über ihr Anwesen zu öffnen.
»In diesem Haus wohnte Gustav Althoff, er war Produzent. Nach dem ersten Weltkrieg hat er die Althoff-Amboss-Filmproduktion gegründet.«
»Und was hat er produziert?«, fragte Olivia und betrachtete ihr verzerrtes Gesicht in dem Auge der Filmkamera.
»Komödien und Liebesromanzen mit eher unbekannten Schauspielern.«
»Also Schund.«
»Weiß nicht. Jedenfalls konnte er wohl deshalb auch in der NS-Zeit ziemlich ungehindert weiter produzieren.«
»Er hat also einfach sein eigenes Ding gemacht?«, fragte Olivia und schnitt eine Grimasse im Überwachungs-Auge. Stella hätte sich
Weitere Kostenlose Bücher