Jupiter
aktivierte die Triebwerke mit einem Gedanken. Sicherheitshalber drückte er mit einer Fingerspitze auf die Einschalttaste seiner Konsole. Unaufmerksamkeit und Träumen, erkannte er, konnte hier ebenso gefährlich sein wie die Versuchung der Macht, wenn sie in die Hände Sterblicher gelegt war. Wenn er die Maschinen mit einem Gedanken beherrschen konnte, so konnte er auch sich selbst und die anderen mit einem törichten Impuls vernichten.
2. HERAUSFORDERUNG
Tiefer und tiefer sanken sie in die Atmosphäre, abwärts in den alles umschließenden Dunst, der sich allmählich zum Weltozean verdichtete.
Grant strengte die Augen an, um den dunkelnden Dunst zu durchdringen, den die optischen Sensoren auf den zentralen Bildschirm übertrugen. Es gab nichts zu sehen; nicht einmal im infraroten Bereich war etwas auszumachen, und doch starrte Grant angestrengt auf den Bildschirm. Zum Teil konzentrierte er seine Aufmerksamkeit darauf, weil es ihm half, nicht vollends dem hypnotischen Zauber der verstärkten sensorischen Systeme in seinen implantierten Biochips zu verfallen. Es erinnerte an den Rat seines Vaters zu unreinen Gedanken, als er noch vor der Pubertät zu den Verführungen des Körpers erwacht war: »Denk an etwas anderes, Junge. Beschäftige dich nicht mit der Versuchung.«
Grant starrte in die Leere und versuchte den tiefen, ungebetenen aber hartnäckigen Drang zum Hochfahren der Triebwerke und dem beschleunigten Eintauchen in den Ozean, der tief unter ihnen wartete, aus seinen Gedanken zu vertreiben.
Wo sind die jovianischen Lebensformen?, fragte er sich. Wo sind die Medusen und diese ballonartigen Segler, die von den unbemannten Sonden gefunden worden waren? Und die Algenkolonien, die in den Wolken schweben sollten? Ringsumher sah der Himmel leer und öde aus.
Er hatte bemerkt, dass keiner der anderen seit ihrer Verbindung mit den Bordsystemen mehr als ein paar Worte gesprochen hatte. Auch sie mussten wie er selbst in den Sog dieser elektronischen Verführung geraten sein. Zwar hatten sie mehr Erfahrung damit, doch bedeutete das nicht, dass es ihnen leichter war, damit fertig zu werden.
»Ich dachte, wir würden luftbewohnende Organismen sehen«, sagte er laut.
Karlstad zuckte zusammen, als wäre er plötzlich aus einer Trance erwacht. »Sie sind dort draußen«, sagte er.
»Die Sensoren haben keine ausgemacht«, konterte Muzorawa.
»Nicht einmal im mikroskopischen Maßstab?«
»Na gut… Mikroorganismen sind fast überall gegenwärtig«, räumte Muzorawa ein.
»Aber was ist mit den großen Lebensformen?«, fragte Grant.
»Sie sind ziemlich dünn gesät«, erwiderte Karlstad. »Wahrscheinlich benötigen sie riesige Territorien, um sich zu ernähren.«
»Vielleicht fürchten sie sich vor uns«, meinte O’Hara. »Schließlich kamen wir wie ein gewaltiger glühender Meteor hier herunter, nicht wahr?«
Karlstad dachte darüber nach. »Ja, das ist zu bedenken.«
O’Hara wollte noch etwas hinzufügen, ließ aber den Gedanken fahren und sagte stattdessen: »Kapitän, Botschaft vom Direktor.«
Die Ansicht einförmig dunstiger Leere auf dem Bildschirm verschwand und wurde ersetzt durch ein körniges, von atmosphärischen Störungen gestreiftes Bild Dr. Wos. Er sah grimmig aus.
»Die Untersuchungskommission der IAB bereitet ihr Rendezvousmanöver mit der Station vor«, sagte er ohne Vorrede. »Ich bin angewiesen worden, Ihre Mission zurückzurufen. Es wird erwartet, dass Sie sofort zur Station zurückkehren.«
Alle im Raum erstarrten. Grant wandte sich ein wenig zur Seite und sah Krebs unter ihren Deckenanschlüssen schweben, eine Hand an der Metallverkleidung, um ihre Position zu halten. Sie starrte mit steinerner Miene auf den Bildschirm.
»Sie haben den Empfang dieser Botschaft zu bestätigen«, sagte Wo. Er zog jedes Wort in die Länge, wie um es zu betonen.
In der Enge des Brückenraumes herrschte vollkommene Stille.
Grant war geschockt. Bittere Enttäuschung über den Abbruch der Mission, Zorn auf die IAB und ihre unsinnige Entscheidung erfüllten ihn. Er wollte weiter, wollte mit der Sonde verbunden bleiben und tiefer in die fremde See eindringen.
O’Hara streckte die Hand nach der Tastatur ihrer Konsole aus.
»Was tun Sie da?«, fuhr Krebs sie an.
»Der Direktor sagte, wir sollten den Empfang seiner Botschaft bestätigen.«
» Ich werde entscheiden, wann und ob wir sie bestätigen«, sagte Krebs.
»Aber…«
Krebs verharrte länger als eine Minute schweigend in ihrer schwebenden Position.
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