Jupiter
den schwarzen, mit Metallknöpfen besetzten Leggings, die sie als Besatzungsmitglieder oder Ersatzleute kennzeichneten. Eine Weile standen sie herum und sprachen in vorsichtigem Flüsterton miteinander, bis der Augenblick der Sitzungseröffnung gekommen war.
Genau in diesem Augenblick wurde die Tür von Dr. Wos Büro geöffnet. Alles erstarrte, als der Direktor mit seinem Rollstuhl zum Kopfende des Konferenztisches fuhr. Das leise Summen des Elektromotors war das einzige Geräusch im Raum. Plötzlich drängten sie alle zu den Sitzen am unteren Ende des Tisches, so weit wie möglich vom Direktor entfernt. Es war wie ein kurzes, aber intensives Stühlerücken. Schneller als die meisten anderen ergriff Grant einen nahe am Ende des Tisches und setzte sich, flankiert von O’Hara zu seiner Rechten und Pascal, der Neurophysiologin. Karlstad saß genau ihm gegenüber.
Ohne Vorrede sagte Dr. Wo: »Die Mediziner haben mich von der Teilnehmerliste der Mission gestrichen.«
Er machte eine Pause. Alle um den Konferenztisch gaben ihrem Bedauern Ausdruck.
»Darum«, fuhr der Direktor fort, »ist die Ernennung eines neuen Leiters der Mission notwendig geworden.«
Er blickte zur offenen Tür seines Büros, und mit merklichem Hinken trat zögernd eine Frau in den Konferenzraum. Ein Seufzen des Wiedererkennens ging durch den Raum, beinahe ein Ächzen, dachte Grant. Die Frau war ihm fremd, doch die meisten der anderen kannten sie offenbar. Grant blickte über den Tisch zu Karlstad; sein langes, blasses Gesicht sah entgeistert aus.
»Die meisten von Ihnen kennen bereits Dr. Krebs«, sagte Wo. »Sie wird die Leiterin der nächsten Mission und stellvertretende Direktorin der Station sein, mit dem besonderen Auftrag, die Mission der bemannten Tauchsonde vorzubereiten.«
Grant hatte ein unheimliches Gefühl, ein seltsames Prickeln im Nacken. Die Atmosphäre im Raum war angespannt, beinahe ängstlich. Die meisten der Anwesenden kannten Dr. Krebs, sagte er sich, aber sie hatten bestimmt nicht viel für sie übrig.
Dr. Krebs war kaum mittelgroß und stämmig, mit dicken, muskulösen Armen. Ihre Beine steckten bereits in den mit Metallknöpfen besetzten Leggings, die Grant verrieten, dass sie mit Biochips implantiert war. Grant schätzte ihr Alter auf Mitte vierzig bis Anfang fünfzig. Ihr Gesicht war kantig und energisch, das tiefschwarze Haar, offensichtlich eine Perücke, in einem kurzen Bubikopf mit einem Pony geschnitten, das ihr in die Stirn fiel bis dorthin, wo ihre Augenbrauen hätten sein sollen. Ihre Gesichtsfarbe war ein teigiges Grau, als hätte sie in vielen Jahren kein Sonnenlicht und nicht einmal eine UV-Lampe gesehen. Der Ausdruck dieses Gesichts war hart wie Granit; das breite, ausgeprägte Kinn kämpferisch vorgeschoben, die blassblauen Augen mit einem kalt abschätzenden Blick, der über alle ihr zugewandten Gesichter ging, jedes einzelne ein paar Sekunden lang musterte und dann zum nächsten weiterging. Sie schien zu sagen: Ich weiß, dass ihr mich nicht mögt, und das Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit.
Der prüfende Blick dieser kalten Augen konzentrierte sich auch für einen Moment auf Grant und lähmte ihn, hinderte ihn, den Kopf abzuwenden.
Endlich richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die nächste Person. Grant war zumute, als wäre er gerade noch an einem Polizeiverhör vorbeigekommen.
»Sie«, sagte sie und zeigte auf Karlstad.
»Ich?«, fragte er mit leicht quiekender Stimme.
»Karlstad«, sagte sie.
»Ja.«
»Sie werden sich der Besatzung anschließen. Halten Sie sich ab sofort für den Eingriff bereit.«
Grant starrte über den Tisch zu Karlstad. Der sah wie ein Mann aus, der gerade seinen eigenen Tod gesehen hat.
6. KREBS
»Christel Krebs«, sagte Frankovic, mit trüber Miene über den Cafeteriatisch gebeugt. »Sie ist Wos ultimative Rache.«
Muzorawa nickte düster. Sogar O’Hara sah besorgt aus. Die vier hatten unbewusst die Köpfe zusammengesteckt und flüsterten wie Verschwörer. Die Cafeteria war nur halb besetzt, hallte aber von Geklapper und Gesprächen an anderen Tischen wider. Trotzdem flüsterten sie miteinander.
Frankovic war ein kleiner, rundlicher und schon ziemlich kahlköpfiger Mann. Grant hatte den Biochemiker in seinen Tagen als Hilfstechniker im Labor oft genug gesehen, doch hatte der Mann bisher kaum ein Dutzend Worte zu ihm gesprochen.
»Was tun sie mit Egon?«, fragte Grant. »Was ist mit dem Eingriff, von dem Krebs sprach?«
»Die Implantation und Verdrahtung der
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