Jurassic Park
Grant paddelte zum entgegengesetzten Ufer, doch an dieser Stelle war der Fluß nur knappe drei Meter breit. Der Tyrannosaurier hatte sich in der dichten Vegetation verfangen; er wand sich, drehte den Kopf hin und her und brüllte. Dann zog er den Kopf wieder zurück.
Durch die Bäume am Uferrand sahen sie die riesige, dunkle Gestalt des Tyrannosauriers nach Norden weiterziehen; er suchte eine Lücke zwischen den Bäumen. Die Microceratopsiden waren alle ans gegenüberliegende Ufer geflüchtet, wo sie aufgeregt kreischend auf und ab hüpften. Grant, Lex und Tim auf dem Floß konnten nur hilflos zusehen, wie der Tyrannosaurier durchzubrechen versuchte. Aber die Bäume am Uferrand standen zu dicht. Der Tyrannosaurier zog weiter flußabwärts und versuchte es ein Stück vor dem Boot noch einmal. Wütend rüttelte er an den Ästen. Aber er schaffte es nicht.
Schließlich trottete er davon. Weiter flußabwärts.
»Ich hasse ihn«, sagte Lex.
Grant lehnte sich schlaff an den Gummiwulst. Er war bestürzt. Wenn der Tyrannosaurier durchgebrochen wäre, hätte Grant für die Kinder nichts mehr tun können. Der Fluß war an dieser Stelle kaum breiter als das Floß. Es war wie in einem Tunnel. Immer wieder schabten die Gummiwülste über Schlamm, während das Boot von der schnellen Strömung weitergetrieben wurde. Grant sah auf die Uhr. Fast neun. Das Floß trieb weiter flußabwärts.
»He!« rief Lex. »Hört mal!«
Ein Knurren war zu hören und dazwischen wiederholte Eulenschreie. Die Geräusche kamen hinter einer Biegung etwas weiter flußabwärts hervor. Grant horchte und hörte wieder die Schreie. »Was ist das?« fragte Lex.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Grant. »Aber es sind auf jeden Fall mehrere Tiere.« Er paddelte das Floß ans gegenüberliegende Ufer und griff dort nach einem Ast, damit die Strömung es nicht wieder losriß. Erneut war das Knurren zu hören. Und dann die Schreie. »Es klingt wie ein Schwärm Eulen«, sagte Tim.
Malcolm stöhnte. »Ist es noch nicht Zeit für das Morphium? »Noch nicht«, sagte Ellie. Malcolm seufzte. »Wieviel Wasser haben wir hier?«
»Keine Ahnung. Aus der Leitung kommt jede Menge fließendes Wasser -«
»Nein, ich meine, wieviel auf Vorrat? Überhaupt etwas?« Ellie zuckte die Achseln. »Nein.«
»Gehen Sie in jedes Zimmer auf diesem Stockwerk«, sagte Malcolm, »und lassen Sie die Badewannen vollaufen.« Ellie runzelte die Stirn.
»Außerdem«, fuhr Malcolm fort, »haben wir Walkie-talkies? Taschenlampen? Streichhölzer? Sterno-Kocher? Solche Sachen eben.«
»Ich seh mich mal um. Richten Sie sich vielleicht auf ein Erdbeben ein?«
»Etwas in der Richtung«, erwiderte Malcolm. »Der Malcolm-Effekt impliziert katastrophale Veränderungen.«
»Aber Arnold sagt, daß alle Systeme wieder perfekt funktionieren.«
»Genau dann passiert's«, sagte Malcolm.
»Sie mögen Arnold nicht besonders, hm?« fragte Ellie.
»Er ist in Ordnung. Ein Ingenieur eben. Bei Wu ist es das gleiche. Beides Techniker. Sie haben keine Intelligenz. Die haben bloß das, was ich als Dünntelligenz bezeichne. Sie sehen nur die augenblickliche Situation. Sie denken beschränkt, nennen es aber detailgenau. Sie sehen das Umfeld nicht, überlegen sich keine Konsequenzen. Und genau damit kommt eine Insel wie diese zustande: durch dünntelligentes Denken. Man kann nämlich kein Tier erschaffen und erwarten, daß es sich nicht lebendig verhält. Nicht unberechenbar ist. Nicht versucht auszubrechen. Aber das verstehen die einfach nicht.«
»Glauben Sie nicht, daß das in der Natur des Menschen liegt?« fragte Ellie.
»Mein Gott, nein«, sagte Malcolm. »Das ist so, als würde man sagen, Rührei mit Schinken zum Frühstück liegt in der Natur des Menschen. Es hat damit überhaupt nichts zu tun. Das ist eine typisch westliche Angewohnheit, und dem Großteil der restlichen Welt wird's schon bei dem Gedanken daran schlecht.« Er krümmte sich vor Schmerz. »Das Morphium macht mich philosophisch.«
»Wollen Sie etwas Wasser?«
»Nein. Ich sag Ihnen, was das Problem mit Technikern und Wissenschaftlern ist. Die Wissenschaftler plappern immer groß daher, wollen die Wahrheit über die Natur herausfinden. Was natürlich stimmt, aber das ist es nicht, was sie antreibt. Kein Mensch läßt sich von Abstraktionen wie der Suche nach Wahrheit antreiben. Was die Wissenschaftler wirklich antreibt ist der Drang, etwas zu erreichen. Sie konzentrieren sich nur darauf, ob sie etwas tun können und stellen
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