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Jurassic Park

Jurassic Park

Titel: Jurassic Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Florenz die wichtigste Stadt der Welt war. Die Definition der Wissenschaft - als neue Sicht der Wirklichkeit, als objektive Methode, die unabhängig ist von Glauben oder Nationalität, als Ausdruck der menschlichen Vernunft -, diese Definition war damals neu und aufregend. Sie versprach eine neue Hoffnung für die Zukunft und fegte das jahrhundertealte mittelalterliche System hinweg. Die mittelalterliche Welt der Feudalherrschaft, der religiösen Dogmen und des abscheulichsten Aberglaubens mußte der Wissenschaft weichen. Aber tatsächlich geschah das, weil das mittelalterliche System nicht mehr funktionierte. Es funktionierte ökonomisch und intellektuell nicht mehr, und es paßte nicht zu der neuen Welt, die eben im Entstehen war.« Malcolm hustete.
    »Aber inzwischen«, fuhr er fort, »ist die Wissenschaft auch schon wieder ein jahrhundertealter Glauben. Und wie das mittelalterliche System davor paßt auch die Wissenschaft allmählich nicht mehr zu der Welt, wie sie ist. Die Wissenschaft hat inzwischen soviel Macht, daß die Grenzen ihres Funktionierens zutage treten. Vor allem dank der Wissenschaft leben Milliarden von uns in einer kleinen Welt, eng zusammengedrängt und voneinander abhängig. Aber die Wissenschaft hilft uns nicht bei der Entscheidung, was wir mit dieser Welt tun, wie wir leben sollen. Die Wissenschaft kann einen Kernreaktor konstruieren, aber sie kann uns nicht sagen, ihn nicht zu bauen. Die Wissenschaft kann ein Pestizid entwickeln, aber sie kann uns nicht vorschreiben, es nicht zu verwenden. Und wenn man allmählich den Eindruck bekommt, als sei die ganze Welt verseucht - das Wasser, die Luft, der Boden -, dann liegt das an dieser nicht beherrschbaren Wissenschaft.« Er seufzte. »Zumindest soviel ist doch für jeden offensichtlich.« Eine kurze Stille entstand. Malcolm lag mit geschlossenen Augen da und atmete schwer. Niemand sprach, und Ellie glaubte schon, Malcolm sei nun doch eingeschlafen. Doch dann setzte er sich plötzlich wieder auf.
    »Gleichzeitig existiert die große intellektuelle Rechtfertigung der Wissenschaft nicht mehr. Schon seit Newton und Descartes verspricht die Wissenschaft uns die totale Kontrolle. Die Wissenschaft maßt sich die Macht an, irgendwann einmal alles zu wissen, und zwar dank ihres Verständnisses der Naturgesetze. Aber im zwanzigsten Jahrhundert ist diesem Anspruch jede Rechtfertigung entzogen worden. Zum einen setzt Heisenbergs Unschärferelation unserem potentiellen Wissen über die subatomare Welt Grenzen. Na und? sagen wir. Keiner von uns lebt in der subatomaren Welt. Das hat keine Auswirkungen auf unser alltägliches Leben. Zweitens setzt Gödels Theorem der Mathematik, der formalen Sprache der Wissenschaft also, ähnliche Grenzen. Die Mathematiker glaubten lange, ihre Sprache besitze eine gewisse inhärente Wahrheit, die sich von den Gesetzen der Logik herleitet. Inzwischen wissen wir, daß das, was wir Vernunft nennen, etwas vollkommen Beliebiges ist. Nichts Besonderes und Einzigartiges, wie wir das immer glaubten.
    Und jetzt beweist die Chaostheorie, daß die Unberechenbarkeit in unser gewöhnliches Leben quasi eingebaut ist. Sie ist so alltäglich wie das Unwetter, das wir nicht vorhersagen können. Diese drei Theorien haben der jahrhundertealten, großen Vision der Wissenschaft - dem Traum von der totalen Kontrolle - in unserem Jahrhundert den Todesstoß versetzt. Sie haben damit der Wissenschaft die Rechtfertigung entzogen für das, was sie tut, und uns die Rechtfertigung, an die Wissenschaft zu glauben. Die Wissenschaft hat immer behauptet, daß sie vielleicht im Augenblick noch nicht alles weiß, daß sie aber irgendwann alles wissen wird. Jetzt sehen wir, daß das nicht stimmt. Es ist eine leere Prahlerei. So töricht und so irregeleitet wie ein Kind, das von einem Haus springt, weil es glaubt, es kann fliegen.«
    »Das ist aber sehr übertrieben«, sagte Hammond kopfschüttelnd. »Wir sind Zeugen des Endes der wissenschaftlichen Ära. Die Wissenschaft zerstört sich wie alle überkommenen Systeme selbst. Je mehr Macht sie bekommt, desto unfähiger erweist sie sich, mit dieser Macht umzugehen. Weil jetzt alles sehr schnell passiert. Vor
    50 Jahren war die ganze Welt aus dem Häuschen wegen der Atombombe. Das war wirkliche Macht. Keiner konnte sich eine größere vorstellen. Aber knapp ein Jahrzehnt nach der Atombombe bekamen wir genetische Macht in die Hand. Und genetische Macht ist viel effektiver als atomare Macht. Bald wird sie jedem

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