Just Kids
Tomaten, und ein Chocolate Malt. Mittlerweile reichte unser Geld für zwei Sandwiches.
Wir hatten uns beide anderen Menschen zugewendet. Dann zauderten wir und verloren sie wieder, aber wir hatten wieder zueinander gefunden. Offenbar wollten wir beide, was wir schon einmal gehabt hatten: einen Geliebten und Freund, mit dem wir Seite an Seite schöpferisch arbeiten konnten. Loyal, aber frei.
Ich hielt es für den richtigen Moment zu verreisen. Es zahlte sich aus, dass ich meine Überstunden in der Buchhandlung nicht abgefeiert hatte, dafür konnte ich mir jetzt eine Zeit lang freinehmen. Meine Schwester und ich packten unsere Seesäcke. Weil ich mit möglichst leichtem Gepäck reisen wollte, ließ ich meine Malutensilien zurück, wenn auch sehr ungern. Ich nahm ein Notizbuch mit, und gab meine Kamera meiner Schwester.
Robert und ich gelobten uns, hart zu arbeiten, während wir getrennt waren; ich musste Gedichte für ihn schreiben, er für mich neue Zeichnungen machen. Er versprach mir, zu schreiben und mich auf dem Laufenden zu halten, was er trieb.
Als wir uns zum Abschied umarmten, trat er einen Schritt zurück und sah mich unverwandt an. Wir sagten kein Wort.
Da wir ein schmales Budget hatten, flogen Linda und ich mit Zwischenstopp in Island in einer Propellermaschine nach Paris. Die Reise war anstrengend, und obwohl ich mich freute, machte ich mir Gedanken, weil ich Robert sich selbst überlassen hatte. Alles, was wir besaßen, war in zwei kleinen Zimmern auf der Clinton Street in Brooklyn verstaut, die nur von einem alten Hausmeister bewacht wurden, der offensichtlich ein Auge auf unseren Krempel geworfen hatte.
Robert wohnte nicht mehr in der Hall Street, sondern war zu Freunden gezogen, in die Nähe der Myrtle Avenue. Im Gegensatz zu mir hatte Robert keinen Drang zu Reisen. Die Aussicht, durch seine Arbeit finanziell unabhängig zu werden, war sein wichtigstes Ziel, aber bis es so weit war, war er auf Gelegenheitsjobs und sein Studentendarlehen angewiesen.
Linda und ich waren überglücklich, in Paris zu sein, der Stadt unserer Träume. Wir suchten uns ein Zimmer in einer Läusepensionin Montmartre und klapperten dann alle historischen Stätten ab – wo die Piaf gesungen hatte, wo Gerard de Nerval geschlafen hatte, wo Baudelaire beerdigt war. Ich entdeckte Graffitis auf der Rue des Innocents, die mich zum Zeichnen animierten. Linda und ich fanden einen Laden für Künstlerbedarf, in dem wir uns stundenlang herumtrieben, um uns an den herrlichen französischen Zeichenpapieren sattzusehen, die Engel als edle Wasserzeichen trugen. Ich kaufte einige Stifte, einige Bögen Arches-Papier, und suchte mir eine große rote Zeichenmappe mit Leinenbändern, die ich als Unterlage benutzte, um wohlgemut auf dem Bett zu zeichnen, ein Bein untergeschlagen, das andere über die Bettkante baumelnd.
Ich schleppte meine Mappe von Galerie zu Galerie. Wir schlossen uns einer Truppe Straßenmusiker an und verdienten uns damit unser Kleingeld. Ich zeichnete und schrieb, Linda machte Fotos. Wir aßen Brot und Käse, tranken algerischen Wein, holten uns Läuse, trugen Hemden mit U-Boot-Ausschnitt, und trieben uns glücklich in den Seitensträßchen von Paris herum.
Wir sahen Godards One Plus One. Politisch machte der Film großen Eindruck auf mich und ließ meine Liebe zu den Rolling Stones wieder aufleben. Nur wenige Tage später prangte auf allen französischen Tageszeitungen Brian Jones’ Konterfei: Est Mort, 24 Ans. Ich war todunglücklich, dass wir nicht zum Free Concert mit 250 000 Menschen im Hyde Park konnten, das die übrigen Stones zum Gedenken an Brian Jones gaben. Auf dem Höhepunkt ließ Mick Jagger weiße Tauben in den Himmel über London aufsteigen. Ich legte meine Zeichenstifte beiseite und begann einen Zyklus von Gedichten über Brian Jones, das erste Mal, dass ich meine Liebe zum Rock’n’Roll in einer eigenen Arbeit zum Ausdruck brachte.
Eins der Highlights unserer Tage war der Gang zur Niederlassung von American Express, um Post zu verschicken oder abzuholen. Es war immer etwas von Robert da, amüsante Briefchen über seine Arbeit, seine Gesundheit, seine Probleme und immer wieder seine Liebe.
Er war vorübergehend von Brooklyn nach Manhattan umgezogen und teilte sich ein Loft in der Delancey Street mit Terry, mit dem ihn immer noch liebevolle Freundschaft verband, sowie einigen seiner Freunde, die ein Umzugsunternehmen hatten. Durch seinen Job als Umzugshelfer hatte Robert ein bisschen Geld in der
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