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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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Terry hilflos danebenstand. Wenn Robert alleinkam, flehte ich ihn an zu bleiben. Er versicherte mir, dass er in Gedanken immer bei mir sei.
    Als die Weihnachtszeit näher rückte, vereinbarten wir, dass jeder dem anderen ein Buch mit Zeichnungen machen würde. In gewisser Weise gab Robert mir eine Aufgabe, die mir half, mich zusammenzureißen, etwas Kreatives, auf das ich mich konzentrieren konnte. Ich füllte eine lederne Kladde mit Zeichnungen und Gedichten für ihn, und er beschenkte mich mit einem Band voller Zeichnungen auf Millimeterpapier, denen sehr ähnlich, die ich in unserer ersten Nacht gesehen hatte. Er hatte ihn in purpurne Seide gebunden, mit schwarzem Garn handgenäht.
    Was in meiner Erinnerung vom Jahresende 1968 bleibt, ist Roberts besorgtes Gesicht, das Schneegestöber, leer gebliebene Leinwände und gelegentliche Ruhephasen, die ich den Stones zu verdanken hatte. An meinem Geburtstag kam Robert allein zu mir. Er brachte mir eine neue Platte. Er setzte die Nadel auf Seite eins und zwinkerte. Es kam Sympathy for the Devil, und wir beide tanzten. »Mein Song«, sagte er.

    Wohin führt das alles? Was wird aus uns? Das waren unsere jungen Fragen, und es gab darauf junge Antworten.
    Es führt zueinander. Wir werden wir selbst.
    Eine Zeit lang beschützte Robert mich, dann verließ er sich auf mich, und dann konnte er mich nicht loslassen. Seine Wandlung war Genets Rose, und im Aufblühen hatte sich der Dorn tief in sein Fleisch gebohrt. Ich hatte dasselbe Verlangen, mehr von der Welt zu spüren. Und doch war dieses Verlangen manchmal nicht mehr als der Wunsch, dorthin zurückzukehren, wo das Licht gedämpft aus verspiegelten Hängelaternen auf uns schien. Wir hatten uns hinausgewagt wie Maeterlincks Kinder auf der Suche nach dem blauen Vogel, und hatten uns im Gestrüpp unserer neuen Erfahrungen verfangen.
    Robert als mein geliebter Zwilling ging auf mich ein. Seine dunklen Locken verloren sich in meinem wirren Haar, während ich von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Er versprach mir, zwischen uns könne es wieder so werden, wie es war, er versprach mir alles, nur damit ich aufhörte zu weinen.
    Ein Teil von mir hätte nichts lieber getan, und doch fürchtete ich, dass wir nie wieder dorthin zurückfinden würden, sondern immer wieder und für alle Zeit wie die Kinder des Fährmanns den Fluss unserer Tränen überqueren müssten. Ich sehnte mich danach zu reisen, nach Paris, nach Ägypten, nach Samarkand, weit weg von ihm, weit weg von uns.
    Auch vor Robert lag ein Weg, den er gehen musste; er hatte gar keine andere Wahl, als mich zurückzulassen.
    Wir lernten, dass wir zu viel wollten. Wir waren, was wir waren, und hatten, was wir hatten, und konnten nur aus dieser Perspektive handeln. Mit einigem Abstand war für uns noch klarer zu erkennen, dass wir nicht ohne einander leben wollten.
    Ich brauchte jemanden zum Reden. Meine Schwester Linda feierte ihren einundzwanzigsten Geburtstag, also fuhr ich heim nach New Jersey. Wir litten beide an Wachstumsschmerzen und konnten uns gegenseitig trösten. Ich hatte ihr ein Buch mit Fotografien von Jaques Henri Lartigue geschenkt, und als wir darin blätterten, bekamen wir beide Sehnsucht nach Paris. Wir saßen bis tief in die Nacht wach und schmiedeten Pläne, und ehe wir Gute Nacht sagten, waren wir uns einig, dass wir zusammen nach Paris reisen würden, für zwei Mädchen, die noch nie ein Flugzeug von innen gesehen hatten, ein ganz schöner Kraftakt.
    Die Aussicht darauf half mir durch den langen Winter. Ich machte bei Scribner Überstunden, sparte und plante unsere Route. Ich zeichnete Ateliers und Friedhöfe ein, erstellte eine Reiseroute für mich und meine Schwester, wie ich früher die Truppenbewegungen für unsere Geschwister-Armee geplant hatte.
    Künstlerisch war es weder für Robert noch für mich eine produktive Zeit. Robert musste es emotional erst verkraften, sicheiner Veranlagung bewusst zu werden, die er bei mir unterdrückt und durch Terry gefunden hatte. Einerseits war es die Erfüllung für ihn, andererseits wirkte er uninspiriert, sogar gelangweilt, und dachte zu viel darüber nach, wie sehr sich das Leben mit Terry vom Leben mit mir unterschied.
    »Patti, niemand sieht so wie wir«, sagte er zu mir.

    Irgendetwas an der Frühlingsluft und der fruchtbaren Kraft des Osterfestes brachte mich und Robert wieder zusammen. Wir saßen im Diner neben dem Pratt und bestellten unsere Grilled-Cheese-Sandwiches, wie wir sie liebten, auf Roggenbrot mit

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