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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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konzentrierte er sich zunächst auf die Herstellung von Halsketten. Robert hatte schon immer gerne Ketten gebastelt, erst für seine Mutter, dann für sich selbst. In Brooklyn hatten Robert und ich nur für uns gedachte Amulette angefertigt, die allmählich immer aufwendiger wurden. Im Zimmer 1017 quoll die oberste Schublade unserer Kommode über von Stoffbändern, Kordeln, kleinen Totenschädeln aus Elfenbein und Perlen aus buntem Glas und Silber, alles für ein paar Cents auf Flohmärkten und in lateinamerikanischen Läden für religiösen Schnickschnack gekauft.
    Wir saßen dann auf dem Bett und fädelten Perlen auf, afrikanische Handelsperlen oder lackierte Samenkapseln von zerrissenen Rosenkränzen. Meine Halsketten waren eher schlicht, aber Roberts waren sehr kunstvoll ausgearbeitet. Ich flocht ihm Lederbänder, in die er Perlen, Federn, Knoten und Hasenpfoten einarbeitete. Das Bett war allerdings nicht der ideale Arbeitsplatz, da ständig Perlen im Bettzeug oder in den Spalten der Bodendielen verschwanden.
    Robert hängte einige fertige Stücke an die Wand und den Rest an einen Kleiderhaken an der Tür. Bruce war von den Halsketten begeistert, was Robert bewog, immer neue Ideen zu entwickeln. Er stellte sich vor, Halbedelsteine aufzureihen, Hasenpfoten in Platin einzufassen oder Totenköpfe aus Silber und Gold zu formen, doch vorläufig benutzten wir alles, was wir finden konnten. Bei unserem geringen Geschäftskapital mussten wir äußerst erfindungsreich sein. Robert war ein Genie darin, Wertloses in Erhabenes zu verwandeln. Seine Hauptlieferanten in nächster Nähe waren Lamston’s Ramschkiste auf der anderen Straßenseite und Capitol Fishing, ein Anglerladen ein paar Häuser vom Chelsea entfernt.
    Bei Capitol bekam man Regenklamotten, Angelruten aus Bambus oder Angelrollen von Ambassador, aber wir sahen uns nach den kleinen Dingen um. Wir kauften Heintzblinker, gefiederteKöder und kleine Bleigewichte. Die Bucktail-Köder von Musky waren optimal für unsere Halsketten, weil es sie in allen möglichen Farben gab, außerdem marmoriert und in Reinweiß. Der Ladenbesitzer seufzte immer nur und reichte uns unsere Einkäufe in einer kleinen braunen Papiertüte, wie man sie auch für Bonbons benutzte. Es war ziemlich offenkundig, dass wir keine echten Angler waren, aber er gewöhnte sich an uns und machte uns Sonderpreise für defekte Köder mit schönen Federn oder einen ausklappbaren Koffer für Anglerausrüstung, der wie gemacht für unser Material war.
    Außerdem passten wir immer auf, wenn jemand im El Quixote Hummer bestellte. Sobald der Kunde gezahlt hatte, sammelte ich die Hummerscheren in einer Serviette ein. Robert schrubbte und schmirgelte sie zu Hause und besprühte sie anschließend mit Farbe. Ich dankte dem Hummer stets mit einem kleinen Gebet, wenn Robert die Scheren auf eine Halskette fädelte und mit Messingperlen zwischen kleinen Knoten verzierte. Ich stellte aus ledernen Schnürsenkeln und ein paar kleinen Perlen Armbänder her. Robert hängte sich zuversichtlich alles um, was wir fabrizierten. Andere Menschen zeigten sich interessiert, und Robert hoffte, einige Stücke zu verkaufen.
    Im Automatenrestaurant gab es zwar keinen Hummer, aber es war trotzdem eines unserer Lieblingsrestaurants. Es war ein billiger Imbiss, doch das Essen schmeckte wie zu Hause. Robert, Harry und ich waren oft zusammen dort; nur die Jungs in Bewegung zu setzen, konnte wesentlich länger dauern als das eigentliche Essen.
    Normalerweise lief es etwa so ab: Ich muss Harry abholen. Er kann seine Schlüssel nicht finden. Ich suche auf dem Fußboden herum und entdecke sie unter irgendeinem Esoterikbuch. Er fängt an, darin zu lesen, und es erinnert ihn an ein anderes Buch, das er nun unbedingt finden muss. Harry baut einen Joint, während ich für ihn nach dem zweiten Buch suche. Robert trifft ein und zieht einen mit Harry durch. Ab da bin ich erst mal abgemeldet. Wennsie bekifft sind, brauchen sie für eine Sache von zehn Minuten eine Stunde. Dann entschließt sich Robert, die Jeansweste anzuziehen, die er sich gemacht hat, indem er seiner Jeansjacke die Ärmel abgetrennt hat, und geht zurück in unser Zimmer. Harry findet mein schwarzes Samtkleid zu düster für den helllichten Tag. Robert kommt mit dem Aufzug hochgefahren, als wir die Treppe runtergehen, ein wildes Kommen und Gehen, als würden wir Hase und Igel spielen.
    Horn and Hardart, die Königin unter den Automatenrestaurants, lag gleich hinter dem Anglerladen.

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