Just Kids
Geste gewährte uns eine Probemitgliedschaft, für Robert ein bedeutender Schritt. Er reagierte äußerst nonchalant. Er nickte nur und führte mich an den Tisch. Er ließ sich nicht anmerken, wie viel es ihm bedeutete. Ich rechne es Danny immer noch hoch an, dass er so zuvorkommend zu uns war.
Robert war in seinem Element, er war endlich da, wo er schon immer hinwollte. Das konnte ich von mir nicht behaupten. DieMädchen waren schön, aber gemein, vielleicht, weil es nicht genug interessierte Männer gab. Ich merkte, dass sie mich nur duldeten, während sie sich von Robert angezogen fühlten. Sie hatten es auf ihn abgesehen, so wie er es auf den Inner Circle abgesehen hatte. Mir kam es vor, als wären alle hinter ihm her gewesen, Männer und Frauen, aber Roberts Triebfeder war damals sein Ehrgeiz, nicht Sex.
Er war überglücklich, diese kleine und doch so riesige Hürde überwunden zu haben. Aber ich dachte insgeheim, dass die Tafelrunde sich schon zu ihren besten Zeiten nie lange gehalten hatte. Von Andy aufgelöst, von uns erneut einberufen, nur um zweifelsohne wieder aufgelöst zu werden, bis irgendwann wieder eine neue Szene an den runden Tisch nachrückte.
Ich musterte alle, die im blutroten Licht des Hinterzimmers saßen. Dan Flavins Installation war eine Reaktion auf die immer blutigeren Kämpfe im Vietnamkrieg. Es fiel zwar niemand hier aus dem Hinterzimmer in Vietnam, doch nur wenige von ihnen überlebten die andere grausame Geißel ihrer und der nachfolgenden Generation.
Ich meinte, die Stimme von Tim Hardin Black Sheep Boy singen zu hören, als ich mit unserer Wäsche heimkam. Robert war für einen Umzugsjob mit einem alten Plattenspieler bezahlt worden und hatte unsere Lieblings-LP aufgelegt. Seit der Hall Street hatten wir keinen Plattenspieler mehr besessen.
Es war der Sonntag vor Thanksgiving. Auch wenn der Herbst zu Ende ging, war es beinah so sonnig wie an einem Tag im Spätsommer. Ich hatte unsere Wäsche zusammengesucht, ein altes Baumwollkleid, Wollstrümpfe und einen dicken Pullover angezogen und war zur Eighth Avenue gegangen. Ich hatte Harry gefragt, ob er auch irgendwas gewaschen haben wollte, aber er hatte mit gespieltem Entsetzen auf die Vorstellung reagiert, ich könnteseine Boxershorts anfassen, und mich weggescheucht. Also stopfte ich unser Zeug mit einer großzügig bemessenen Portion Waschsoda in eine Waschmaschine und schlenderte die paar Straßen zu Asia de Cuba hinunter, um mir einen Caffè con leche zu holen.
Ich legte unsere Wäsche zusammen. Es lief »unser Song«: How Can You Hang On to a Dream? Wir waren beide Träumer, aber Robert war derjenige, der Dinge anpackte. Ich verdiente das Geld, doch er brachte Elan und Zielstrebigkeit mit. Er hatte nicht nur selbst Großes vor, er hatte auch Pläne für mich. Er wollte unsere Kunst weiter ausbauen, aber dazu fehlte der Platz. Alle Wände hingen voll. Er sah keine Möglichkeit, seine schon konzipierten Installationen umzusetzen.
Seine Sprühfarben waren Gift für meinen hartnäckigen Husten. Manchmal ging er hoch aufs Dach des Chelsea, aber dann wurde es zu kalt und windig dafür. Irgendwann beschloss er, dass wir irgendwo einen leeren Raum finden mussten, und begann die Anzeigen in der Village Voice zu studieren und sich umzuhören.
Dann kam ihm der Zufall zu Hilfe. Wir hatten damals einen Nachbarn, eine übergewichtige Trantüte in einem zerknitterten Mantel, der dauernd seine französische Bulldogge auf der Twenty-third Street Gassi führte. Er und sein Hund hatten die gleichen zerknautschten Wabbelgesichter. Wir nannten ihn immer »Pigman«. Robert hatte mitbekommen, dass er über der Oasis Bar ein paar Häuser weiter wohnte. Eines Abends blieb Robert stehen, um den Hund zu tätscheln und ein Gespräch anzufangen. Robert fragte ihn, ob er etwas von freien Wohnungen in seinem Haus wüsste, und Pigman erzählte ihm, dass er den gesamten ersten Stock hatte, aber den vorderen Raum nur als Abstellraum nutzte. Robert fragte, ob er ihn untervermieten würde. Anfänglich zögerte Pigman, doch der Hund mochte Robert, also willigte er ein, ihm den Raum ab dem 1. Januar für hundert Dollar im Monat zu überlassen. Bei einer Anzahlung von einer Monatsmiete könnte er den Raum schon jetzt zum Jahresende übernehmen, um ihn auszumisten. Robert wusste noch gar nicht, woher das Geldkommen sollte, aber er besiegelte das Geschäft mit einem Handschlag.
Robert ging mit mir hin, um den Raum zu begutachten. Die Fenster reichten vom Boden
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