Just Kids
eingeschweißtes Heft aufmachte, musste man es kaufen.
Diese Transaktionen machten Robert nervös. Die Magazine waren teuer, fünf Dollar das Stück, und er wusste ja nie, was drin war. Wenn er sich schließlich für eins entschieden hatte, rannten wir zurück zum Hotel. Robert riss das Zellophanpapier mit einer Vorfreude ab, wie Charlie das Papier der Schokoladentafeln, in denen er die goldene Eintrittskarte zu finden hoffte. Robert meinte, es sei wie früher, wenn er ohne Wissen der Eltern mit den Coupons aus Comic-Heften Wundertüten bestellte. Er passte dann immer die Post ab, um sie abzufangen und sich dann mit seinem Schatz im Badezimmer einzuschließen, den Umschlag zu öffnen und seine tollen Zaubertricks, Röntgenbrillen und Miniaturseepferdchen vor sich auszubreiten.
Manchmal hatte er Glück, und es waren gleich mehrere Bilder dabei, die er für eine schon angefangene Arbeit benutzen konnte,oder ein so gutes, dass es ihn zu etwas ganz Neuem inspirierte. Oft waren die Magazine allerdings eine Enttäuschung, und er schmiss sie frustriert auf den Boden, weil er dafür unser Geld rausgeworfen hatte.
Manchmal verwirrte mich eher die Wahl seiner Motive, wie schon früher in Brooklyn, als seine Arbeitsweise. Ich hatte auch schon Dinge aus Modezeitschriften ausgeschnitten, um aufwendige Garderoben für Papierpuppen herzustellen.
»Du solltest besser selbst fotografieren«, wiederholte ich dann.
Ich predigte es ihm immer wieder.
Ich fotografierte gelegentlich, ließ die Bilder aber im Fotomat entwickeln. Ich hatte keine Ahnung von Dunkelkammern. Flüchtig hatte ich mitbekommen, wie man Abzüge macht, weil ich Judy Linn bei der Arbeit zugesehen hatte. Judy, die am Pratt studiert hatte, hatte sich ganz der Fotografie verschrieben. Wenn ich sie in Brooklyn besuchte, verbrachten wir manchmal den Tag mit Fotografieren, ich als ihr Modell. Als Künstlerin und Modell passten wir gut zusammen, denn wir hatten die gleichen visuellen Vorlieben.
Wir zitierten alles von Butterfield 8 bis zur französischen Nouvelle Vague. Sie schoss Standbilder für unsere imaginären Filme. Obwohl ich nicht rauchte, steckte ich immer ein paar von Roberts Kools ein, die ich für einen bestimmten Look brauchte. Für unsere Blaise-Cendrars-Aufnahmen brauchten wir dicken Qualm, für unsere Jeanne Moreau einen schwarzen Slip und eine Zigarette.
Als ich ihm Judys Fotos zeigte, amüsierte sich Robert über meine diversen Rollen. »Patti, du rauchst doch gar nicht«, zog er mich auf, »stiehlst du etwa meine Zigaretten?« Ich dachte, er wäre sauer, denn Zigaretten waren teuer, aber als ich das nächste Mal zu Judy ging, überraschte er mich damit, dass er mir die letzten aus seinem zerdrückten Päckchen gab.
»Ich weiß, ich paffe nur«, sagte ich, »aber ich tue keinem damit weh, und außerdem muss ich an meinem Image arbeiten.« Ich tat es schließlich für Jeanne Moreau.
Robert und ich gingen fortan auch ohne Begleitung spät abends ins Max’s. Irgendwann hatten wir uns fürs Hinterzimmer qualifiziert und saßen dann in rotes Licht getaucht in einer Ecke unter der fluoreszierenden Dan-Flavin-Skulptur. Die Türsteherin Dorothy Dean hatte für Robert etwas übrig und ließ uns rein.
Dorothy war klein, schwarz und brillant. Hornbrille, klassisches Twinset, höhere Tochter. Sie stand wie ein abessinischer Hohepriester, der die Arche bewacht, vor dem Zugang zum Hinterzimmer. An ihr kam niemand vorbei. Robert kam mit ihrem ätzenden Humor und giftigen Tonfall gut zurecht. Sie und ich gingen uns allerdings aus dem Weg.
Ich wusste, dass das Max’s wichtig für Robert war. Er unterstützte mich in meiner Arbeit so bedingungslos, dass ich ihm dieses abendliche Ritual nicht versagen konnte.
Mickey Ruskin ließ es zu, dass wir uns stundenlang an einem Kaffee oder einer Cola festhielten und so gut wie nie etwas bestellten. Manche Abende waren todlangweilig. Wenn wir dann nach Haus schlurften, waren wir bedient, und Robert sagte jedes Mal, da würden wir nie wieder hingehen. Andere Abende waren hysterisch aufgekratzt, ein dunkles Cabaret, aufgeladen mit der manischen Energie des Berlins der Dreißigerjahre. Frustrierte Schauspielerinnen und aufgebrachte Drag Queens gingen kreischend aufeinander los. Es war, als wären sie zum Casting vor einem Phantom angetreten, dem Phantom Andy Warhol. Ich fragte mich, ob er sie überhaupt wahrnahm.
An einem dieser Abende kam Danny Fields zu uns rüber und lud uns an den runden Tisch ein. Diese eine kleine
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